Frauen, die IT braucht euch!
Das Potenzial digitaler Macherinnen ist unausgeschöpft Gastkommentar
Österreich, wir haben ein Problem: Der Fachkräftemangel führt allein in der IT zu einem jährlichen Wertschöpfungsverlust von mindestens 3,8 Milliarden Euro, weil Digitalisierungswissen und zumindest 24.000 IT-Fachkräfte fehlen.
Dem Tourismus, dem Handel oder dem Energiesektor geht es nicht anders. 39 % der Unternehmen Österreichs büßen deswegen Umsatz und Wettbewerbsfähigkeit ein. Migration, wie es Wirtschaftsminister Martin Kocher in Alpbach wieder propagierte, wird das Problem nicht lindern. Nur wenige Tausend Arbeitskräfte kommen mit der eben reformierten Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich. Im letzten Jahr erteilte das Arbeitsmarktservice lediglich 3.881 positive Gutachten.
Warum heben wir nicht das Potenzial derer, die schon hier wohnen? Minister Kocher sprach vom wenig ausgeschöpften Erwerbspotenzial von Frauen, da sie fast zur Hälfte in Teilzeit arbeiten. Nicht verwunderlich, bei den mangelnden Angeboten ganztägiger Schulen und Kindergärten in vielen heimischen Regionen. Mit ihrer räumlichen und zeitlichen Flexibilität bieten sich die immer stärker digitalisierten Jobs – und noch mehr die typischen IT-Fachkräftetätigkeiten als Lösungen an.
Mankos
Das dahinter liegende Problem sind Österreichs Mankos bei der digitalen Transformation. Wir digitalisieren uns zu langsam, wie uns die OECD bescheinigt. Um das aufzuholen, muss das lebenslange Lernen rund um digitale Technologien speziell bei älteren Arbeitnehmer*innen und schwächer Qualifizierten massiv ausgebaut werden. Das Weltwirtschaftsforum prognostiziert: Zwei von drei Kindern, die heute die Volksschule besuchen, werden Berufe haben, die heute noch nicht existieren. Sind wir darauf vorbereitet?
In hoch qualifizierten Jobs geht es vor allem darum, Menschen in die richtigen Ausbildungen zu locken. Zu wenig IT-Fachkräfte gibt es, weil sich zu wenige Menschen den Einstieg zutrauen.
Österreich kann es sich schlicht nicht mehr leisten, das Potenzial digitaler Macherinnen dermaßen unausgeschöpft zu lassen. Nur jedes 14. Technik-Patent wird von einer Frau angemeldet. Im Bereich Machine Learning sind nur rund 12 Prozent des Forschungspersonals weiblich und der Anteil an Informatik-Absolventinnen liegt mit rund 15 % unter dem EU-Schnitt.
„Lieber nichts Technisches studieren“, wird Mädchen in der Schule immer noch nahegelegt. Diese geschlechtsspezifische Förderung ist ein wesentlicher Grund, warum jugendliche Mädchen ihre ComputerKenntnisse deutlich stärker unterschätzen als gleichaltrige Buben.
Die Realität ist eine andere, aber bisher lassen wir diese Chance ungenutzt. Wie gut es uns gelingt, das zu ändern, bestimmt den Arbeitsmarkt deutlich stärker als die Rot-Weiß-Rot-Karte.
***
Michael Swoboda ist Geschäftsführer der österreichischen Bildungsanbieter ETC