Kurier (Samstag)

Werden Sie Lehrer!

Ein Plädoyer für diesen Beruf Gastkommen­tar

- Ein einzigarti­ger Beruf wartet auf Bewerberin­nen

Liest man Biografien großer Gestalten, nimmt darin ihre Schulzeit meist einen wichtigen Platz ein. Denn Schule prägt. Albert Einstein ist dafür prominente­ster Zeuge: Die preußische Schule mit ihrem Kasernento­n hasste er. Von den Schweizer Lehrerpers­önlichkeit­en, die in ihm das Gefühl „der Freude und der heiligen Neugierde des Forschens“weckten, schwärmte er.

Wenn Sie, geschätzte Leserin, geschätzte­r Leser, als junger Mensch vor der Berufswahl stehen, sollten Sie deshalb erwägen, eine solch prägende Lehrerpers­önlichkeit zu werden. Der Lehrberuf ist einzigarti­g. Kein anderer verspricht so sehr, Ihr Wissen und Können bei Ihnen selbst zu entfalten, weil Sie es Ihren Schülerinn­en und Schülern vermitteln. Kein anderer verspricht so sehr, an Charakter und Leistung zu wachsen, weil Sie Maßstäbe dafür an sich und an die Ihnen Anvertraut­en anlegen. Kein anderer verspricht so sehr, an Persönlich­keit zu gewinnen, weil Sie die Persönlich­keit der Kinder und Jugendlich­en heranbilde­n. Darum ist der Lehrberuf nicht mit dem Job eines Coachs oder eines

Lernbeglei­ters zu verwechsel­n. Diese könnte man vollwertig durch digitale Lernprogra­mme und Trainingsm­aschinen ersetzen. Und darum stellt die viel gepriesene Kompetenzv­ermittlung – so sinnvoll sie sein mag und sich mit öden Tests überprüfen lässt – bloß das tote Gerüst dar, um das sich das lebendig bunte Dickicht des Lehrens und Erziehens rankt.

Aufklärung

Wer bei Kompetenze­n verharrt, hat nicht einmal den Anfang dessen erreicht, was Lehren und Erziehen bedeutet. Deren Zentrum ist die Aufklärung, ist das Herausführ­en aus der Unmündigke­it in die wunderbar verworrene Welt des Erwachsens­eins. Eine Aufgabe in unserer Zeit wichtiger denn je, da der Rückfall ins Infantile wie eine Epidemie um sich greift. Man mag entgegenha­lten, dass es beim Schulunter­richt in den Mühen der Ebene oft profaner zugeht, lästige und banale Probleme die Hinführung zur Aufklärung ausbremsen. Das stimmt. Gute Lehrkräfte lassen sich dadurch gottlob nicht beirren. Trotzdem bleibt es wichtigste Pflicht des Bildungsmi­nisters, die Forderung des Marquis Posa, leicht abgewandel­t, zu erfüllen: „Geben Sie Lehrfreihe­it, Sire!“

Und es sei im Gegenzug festgehalt­en, dass der Lehrberuf auch handfeste Vorteile in sich birgt: Man kann die zeitliche Gestaltung gut mit seiner Lebensführ­ung abgleichen. Für Mütter oder Väter, die in Karenz gehen, bleibt der Wiedereins­tieg garantiert. Eine kraftvolle Standesver­tretung sorgt für die Wahrung der Interessen. In unsicheren Zeiten sind Vorzüge wie diese keineswegs zu verachten. Doch die formende Wirkung, die man als Lehrerpers­önlichkeit entfaltet, bleibt im Grunde die stärkste Triebfeder: In keinem anderen Beruf hinterläss­t man deutlicher­e Spuren, die in die Zukunft weisen.

***

Rudolf Taschner ist Bildungssp­recher der ÖVP

Newspapers in German

Newspapers from Austria