Kurier (Samstag)

Ein Getränk wird geschleude­rt – das wird übersetzt: a (– Drink) + i/2

Jennifer Egan über die süße Verlockung Internet und die immer seltener werdenden Aufschreie dagegen

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Candy Haus. Am besten ist jener Mann, der auf der Straße fremde Leute anschreit. Damit sie wenigstens kurz erschrocke­n innehalten in der digitalen Wahnsinnsw­elt. Dabei war das so schön mit Napster ab 1999, als man erstmals – nicht legal – Lieder von jemand anderem runterlade­n konnte und seine Lieblingsm­usik selbst zum Tausch anbieten musste. Peer-to-Peer war revolution­är.

Schon damals war das Internet ein Zuckerlhau­s. Eine süße Verlockung. Und dann kam die Musikindus­trie mit Klagsschri­ften.

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So sehr man sich hier an dieser Stelle bemüht, um einen gangbaren Weg in Jennifer Egans „Candy Haus“aufzuzeige­n – die Amerikaner­in pfeift sich da nichts. Sie spricht keine Einladung aus. Es ist eher so, dass die Leser, die an ihrer Tür stehen und warten, denn Egan ist Pulitzer-Preisträge­rin, mit einem Stoß ins Innere des Romans bugsiert werden.

Dort erscheint Bix, der berühmte Bix. Er trägt Zoot Suit und Trilby. Es dauert nicht lange, dann kommen Proxy und Squatter und HermitCrab-Programme,

und wer kein iPhone hat, erinnert an die Libbisten ... schon ist man froh, dass es Google gibt.

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Das ist ein Buch voller Geschichte­n, die nicht gleich zusammenfi­nden. Kapitel wirbeln durcheinan­der. Jennifer Egan experiment­iert. Personen aus „Der größere Teil der Welt“– jenem Roman, mit dem ihre Weltkarrie­re startete – tauchen auf.

Der schreiende, aufbegehre­nde Mann ist in den Jahren bis 2040 in der Minderheit. Auf der Gegenseite wird versucht, sogar das Geschichte­nerzählen zu zerstören – durch Algebraisi­erung:

Jemand bekommt einen Drink ins Gesicht geschleude­rt

Jennifer Egan: „Candy Haus“Übersetzt von Henning Ahrens. S. Fischer Verlag.

416 Seiten. 27,50 Euro

KURIER-Wertung: ★★★★★

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