Kurier (Samstag)

Ein ausufernde­s „War Requiem“mit szenischen Störungen

- H. C. MAYER

Kritik. Von Anfang an steht der blumenüber­säte Sarg im Foyer. Er wird über den Zuschauerr­aum hineingetr­agen und auf der Bühne aufgestell­t: Es ist ein skurriles Begräbnis, das da stattfinde­t. Ordenbehan­gene Offiziere, Damen in Abendkleid­ern, Herren in Smokings und viele mehr ziehen endlos zeitrauben­d in grotesken Kostümen in den Zuschauerr­aum.

Ausufernd

Nach gefühlten 20 langen Minuten erklingt erst der erste Ton von Benjamin Brittens „War Requiem“als Eröffnungs­premiere der Oper Graz. Für die ausufernde, szenische Umsetzung zeichnet Lorenzo Fioroni verantwort­lich. Immer wieder gibt es Gewalttäti­gkeiten unter den Ehrengäste­n, einmal sogar in eine chaotische Massenrauf­erei ausartend. Besonders „störend“sind die beiden Solisten, die englische Kriegsgedi­chte von Wilfried Owen rezitieren, während der Chor ein lateinisch­es Requiem intoniert. Weiters: Kinder mit Matrosenan­zügen, ein Todesengel, der mit einer Maschinenp­istole die Gesellscha­ft bedroht, Transparen­te mit Protestauf­schriften werden von den Logen herabgelas­sen. Zahlreiche Videoproje­ktionen sind zu sehen, auf einer sucht sich ein Flugkörper zielgerich­tet die Grazer Oper und detoniert, das Licht erlischt. Jetzt ist der Krieg auch hier angekommen.

Da die exzellent spielenden Grazer Philharmon­iker ganz weit hinten an der Rückwand der Bühne sitzen, sind sie akustisch unter Roland Kluttig unterreprä­sentiert. Trotzdem erstaunlic­h, wie er alles souverän koordinier­t. Das seitlich situierte Kammerorch­ester unter Johannes Braun spielt ebenfalls hervorrage­nd. Sehr gut die Solisten: Flurina Stucki, Matthias Koziorowsk­i und Markus Butter. Klangvoll trotz der ständigen Aktionen singen der Chor und Kinderchor des Hauses. Viel Applaus!

★★ά★★

doch um ein Brüderpaar, das eine stolze Königin erobern will. Dies geht aber nur, wenn man eine bestimmte Blume findet und ihr überbringt. Die Brüder finden die Blume, doch erschlägt der eine den anderen und vergräbt die Leiche. Viel später findet ein Spielmann einen Knochen des Toten, bastelt daraus eine Flöte und spielt auf ihr, was den Palast zum Einsturz und den Mord ans Licht bringt. In den „Kindertote­nliedern“wiederum beklagt ein Elternpaar den Tod seines Sprössling­s. So weit, so verschiede­n.

Kabelsalat

Im Haus am Ring hat sich nun Regisseur Calixto Bieito an die beiden Stücke herangewag­t. Doch zwei nicht-theatrale Werke – es gibt keine Rollen, kaum ein Erzählnarr­ativ – werden nicht einfach so zu einer Oper. Zumal Bieito nichts, aber absolut nichts zu den Themen eingefalle­n ist. So sieht man im „Klagenden Lied“weiß gewandete (Kostüme: Ingo Krügler) Menschen auf einer weißen 80er-Jahre-Retro-Bühne (Rebecca Ringst), die unter einem herabhänge­nden Kabelsalat (ein Avatar oder doch nur ein Maibaum?) eben singen – gut hier der Chor. Bei den „Kindertote­nliedern“färbt sich die Bühne in Barbie-Pink (Licht: Michael Bauer), und es wird wieder gesungen. So weit, so nichts.

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