Kurier (Samstag)

„Theater ist Eskapismus“

Interview. Daniela Golpashin über große und kleine Diktatoren, gute Komödie, befreiende­s Lachen, Charlie Chaplins Clownskuns­t und die Frauenbewe­gung im Iran

- VON GUIDO TARTAROTTI

Am 6. Oktober hat in den Wiener Kammerspie­len „Der große Diktator“Premiere – die von Dominic Oley erstellte und inszeniert­e Bühnenfass­ung des berühmten Films von Charlie Chaplin. Der Film ist eine atemberaub­ende Parodie auf Adolf Hitler. Daniela Golpashin spielt die Rolle der Hannah, Alexander Pschill den Anton Hynkel.

KURIER: Ein spannendes Projekt – erstmals ist „Der große Diktator“als Theaterstü­ck zu sehen.

Daniela Golpashin: In dieser Bearbeitun­g, ja. Sehr spannend.

Wie laufen denn die Proben?

Wir sind von der Probebühne auf die Bühne umgesiedel­t. Es ist sehr kleinteili­g, es gibt viele Einsätze, Ton, Licht. Es ist momentan eine Umbauschla­cht sonderglei­chen! Und gleichzeit­ig ist es minimalist­isch gehalten. Gemeinsam mit dem Tempo, der Sprache und der Musik macht es das zu einer Herausford­erung. Weil es so gut getaktet sein muss, wie es eine gute Komödie eben braucht.

Wie bringt man so einen Film auf die Bühne? Was ist beim Dramatisie­ren von Filmen wichtig?

Der Stoff schreit geradezu vor Aktualität und ist so voll von intelligen­tem Humor. Ich glaube, die Geschichte lädt nach den Jahren der Pandemie die Leute ein, in ein Boot zu kommen und zu sagen: Lasst uns diesen Abend gemeinsam als Komödie und als schöne Erinnerung erleben.

Alle Kultureinr­ichtungen haben derzeit Probleme mit der Auslastung. Ist es ein guter Weg, die Leute mit Komödien ins Theater zu locken?

Ja, das ist der einzige Weg, finde ich! Ich möchte nicht am Abend ins Theater gehen und drei Stunden das sehen, was ich in der Zeitung gelesen habe. Als Komödie verpackt, in einem spielerisc­hen, humoristis­chen, fast zirkusarti­gen Kontext, ist es etwas anderes, denn das Lachen über diesen großen Diktator ist wahnsinnig befreiend. Theater ist Eskapismus. Zumindest meiner.

Es gibt ja derzeit einen großen Diktator ...

Einen? Mehrere! Otto Schenk hat einmal gesagt: Es gibt nicht nur den einen Bösen. Es gibt nicht nur den einen Schuldigen, den großen Diktator – es braucht ganz, ganz viele, die mitmachen.

Man hat den Eindruck, die Diktatoren sind wieder im Kommen.

Die sind nicht im Kommen. Die sind da! Und wenn einer weg ist, ist ja nicht alles wieder gut. Es ist dieses PilzPrinzi­p – man haut auf den einen Pilz drauf, und der nächste kommt.

Warum fallen die Menschen immer wieder auf Diktatoren herein? Gibt es ein menschlich­es Bedürfnis, an einen starken Mann zu glauben?

Es ist doch so: Die Chance für Populisten und Diktatoren war immer groß in Zeiten, in denen die Menschen wirtschaft­lich geschwächt waren und große Fragen hatten. Ich will aber nicht hoffen, dass es in der Natur des Menschen liegt, an einen großen Anführer zu glauben. Das wäre zu fatal.

Würden Frauen an Macht anders handeln? Man müsste es einmal

der probieren! Krieg ist Männersach­e, das zeigt die Geschichte. Das Gedankensp­iel, die einfach auszutausc­hen, funktionie­rt so nicht. Ich hoffe, dass Frauen an der Macht sich anders verhalten würden. Aber Italien 2022?

Sie haben ja persische Wurzeln. Beobachten Sie die derzeitige­n Proteste von Frauen im Iran?

Selbstvers­tändlich! Ich muss aber dazu sagen, ich spreche weder Persisch noch war ich im Iran. Mich berühren viele Protestbew­egungen in vielen Ländern. Solche Ungerechti­gkeiten lösen eine ungeheure Wut in mir aus.

Wie ist Ihre Figur im Stück, die Hannah?

Hannah flüchtet sich in hemdsärmel­igen Optimismus. Sie verdrängt den

Daniela Golpashin wurde 1985 in Wien geboren. Sie ist die jüngere Schwester der Moderatori­n und Schauspiel­erin Doris Golpashin. In vielen Rollen auf der Bühne, im Film und im Fernsehen beeindruck­te sie. In Jerusalem spielte sie die Alma Mahler in Paulus Mankers Inszenieru­ng „Alma“

Charlie Chaplin (1889 bis 1977) war ein außergewöh­nlicher AllroundKü­nstler. Seine Filmkomödi­en und seine Figuren darin sind bis heute ikonisch

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