Erfolg bei den Jungen
zu werden.“Und Gewohntes sei erfolgreicher als musikalisch Herausforderndes. „Popmusik ist keine Avantgarde.“Interpolation heißt das, wenn Teile eines Musikstücks in einem anderen zitiert werden. Anders als beim Sample verwendet man beim Interpolieren nicht das Original, sondern spielt eine eigene Version. Dabei können Instrumente andere sein, doch die Noten bleiben dieselben. Auch Soundalikes sind beliebt, die klare Assoziationen hervorrufen, aber doch etwas verändern.
In vielen Fällen passiert das auch auf Wunsch der Künstler. Elton John selbst war es, der die Produzenten PNAU entdeckt und ihnen seine Lieder zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung gestellt hat. Er wollte bei den Jungen erfolgreich sein und wieder vermehrt im Radio gespielt werden. Dafür musste der Star nicht einmal mehr ins Tonstudio zum Einsingen. Und auch die Musikindustrie befeuert das Wiederverwerten, immerhin hat sie in den vergangenen Jahrzehnten einiges an Geschäft eingebüßt. Finanzinvestoren kaufen Hits von Plattenfirmen. „Songklassiker sind finanziell so attraktiv, dass sich ein Investment-Sektor darum gebildet hat“, berichtete die Sendung Tracks auf Arte. Werkkataloge wechseln um viel Geld ihre Besitzer. Die großen Musikverlage waren ebenfalls nicht untätig. Warner Chappell hat 250 Millionen Dollar für die Werke von David Bowie hingeblättert, Universal 300 Millionen für Sting. Und Sony war Bruce Springsteens OEuvre satte 500 Millionen Dollar wert. Da sieht man, wer der Boss ist. Aber das sei notwendig, um sich auch neue Künstlerinnen und Künstler zu leisten, heißt es: „Der Back-Katalog finanziert die neuen Signings,“sagte Natascha Augustin von Warner Chappell der Sendung.
„Die Verlage laden aktiv zu SongwritingCamps ein, bei denen Songwriter die Aufgabe haben, vorgegebenes Ausgangsmaterial aus ihrem Rechtekatalog zu verwenden. Es soll kein Cover und kein Sample sein, aber den Vibe aufnehmen. Das ist eine Win-WinSituation. Die Produzentinnen und Produzenten haben den Fuß in der Tür beim Publikum, die Majors bekommen Geld für den gekauften Katalog“, sagt van Appen. Damit ein schon da gewesenes Stück wiederverwertet werden kann, müssen einige Jahre ins Land ziehen. „Es braucht einen gewissen Abstand, bis es wieder cool ist“, meint van Appen. Allerdings: „Länger als 30 Jahre sollte der Abstand auf keinen Fall sein“, meint Kollege Weber. „Sonst gibt es keine Anknüpfungspunkte mehr. Das sollte schon auch noch vertraut wirken.“Manchmal ist es nicht ganz einfach, die Grenze zum Plagiat zu ziehen. Dass sich musikalische Schlingel unerlaubt bei anderen bedient haben, ist in der Musikgeschichte vielfach vorgekommen. Auch hier waren die Nachfolge-Werke oft erfolgreich, ja sogar erfolgreicher. Alle paar Jahre kommt es zu einem Musikskandal. Einer der letzten großen war, als Marvin Gayes Erben Robin Thicke und Pharrell Williams erfolgreich auf einige Millionen Dollar verklagt haben, weil „Blurred Lines“doch sehr an „Got to give it up“erinnert hat.
Und dann gibt es welche, die recyceln selbst ihr eigenes Werk. Taylor Swift ist so eine. Sie nahm im Vorjahr ihr Erfolgsalbum „Red“aus dem Jahr 2012 noch einmal neu auf. Damals weinte sie einer gescheiterten Beziehung mit Jake Gyllenhaal hinterher, 2021 sorgte sie dann für einen anderen Heuler. Die alte Platte wurde mit neuen Texten und mit aufwendigen Videos aufgehübscht und war erfolgreicher als das Original.
Probleme mit der Firma
Swift holte sich den Spotify-Rekord für das an einem Tag am meisten gestreamte Album einer Frau. 122,9 Millionen Mal wurde es binnen 24 Stunden gespielt. Der Grund, warum sie ihre alten Lieder neu aufnahm, waren übrigens auch Schwierigkeiten in einer Beziehung. Allerdings hatte sie die mit ihrer alten Plattenfirma und nicht mehr mit dem prominenten Freund.
Ist nun musikalisch alles gesagt, ist es das Ende der Kreativität? „Sicher nicht, auch wenn wir nur zwölf Töne haben, kann man sie immer wieder neu arrangieren. Es ist auch nicht jeder Roman geschrieben, obwohl viele das Thema Liebe behandeln“, widerspricht van Appen. Billie Eilish zum Beispiel sei mit ihrem Homestudio-Sound mit intimem Gesang und sperrigen Songformen relativ originell. Und auch bei jeder Art von Revival sei Neues dabei: Etwa ein neuer Sound, eine neue Technik, die ein Lied in die Gegenwart holen. Auch Weber sieht kein Ende von neuen Entwicklungen. „Die Jugend von heute ist viel von Computerspielen beeinflusst. Wie hier mit Musik umgegangen wird, wird eine große Rolle spielen.“
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