FEUER AM DACH
Auch wenn wir unter den sommerlichen Backofen-Temperaturen ächzten und den Novembereinbruch im September als Zumutung empfinden – für den Weinbau geht es um mehr als Befindlichkeiten. Die Gluthitze im Sommer und die Trockenheit macht den Reben zu schaffen. Kostet man dieser Tage Trauben vom Stock, fällt auf, dass sie mancherorts süß und fad schmecken. Es fehlt oft an Säure und Spannkraft. Das wird sich im fertigen Wein nicht ändern, auch wenn man im Keller den Zauberkasten auspackt. Selbst Freunden monströser Fruchtkonzentrate wird allmählich bange. Umso verwunderlicher, wenn von offizieller Seite schon Anfang September ein „vielversprechender Jahrgang“proklamiert wird, als noch kaum eine Beere
vom Stock gezupft ward. Gilt ein Jahrgang heute immer noch als gut, wenn hitzebedingt die Zuckerwerte durch die Decke schießen und das Ergebnis mehr Rumtopf als Wein ist? Viele Winzer haben längst umgedacht: Biologische Bewirtschaftung etwa begünstigt ausgeglichene Reifung aller Faktoren, durchdachte Dauerbegrünung und Kompost fördern die Lebendigkeit des Bodens, der die Feuchtigkeit besser speichert. Bauern hingegen, die lediglich die gestiegenen Preise für Kunstdünger beklagen, haben wohl noch immer nicht begriffen, dass Feuer am Dach ist. Mit Mineraldünger braucht die Rebe nur noch mehr Wasser – allein das fehlt. Klar, man kann bewässern, dann beißt sich die Katze halt in den Schwanz. Von Christina Fieber
Flaschenpost