Friedensnobelpreisträger als „Stolz der Belarussen“
Auch ukrainische und russische Menschenrechtsgruppen geehrt
„Dieser Preis ist nicht an Präsident Putin gerichtet“, betonte Laudatorin Berit Reiss-Andersen mit ernster Miene, als sie die diesjährigen Träger des Friedensnobelpreises in Oslo bekannt gab. Das Komitee verleihe den Preis schließlich immer für etwas oder an jemanden und nicht gegen jemanden, so Reiss-Andersen weiter. Heuer zeichnet eben dieses Komitee gleich drei Gewinner aus: den belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki, die Organisation Memorial aus Russland und das Zentrum für Bürgerliche Freiheiten (CCL) aus der Ukraine.
Damit geht der Preis auch an jemanden, der von der eigenen Ehrung erst einmal nichts mitbekam. Der im Alter von zwei Jahren mit seinen Eltern von Russland nach Belarus umgezogene Bjaljazki sitzt nämlich seit Juli 2021 im Gefängnis. Er verbrachte aber nicht nur seinen sechzigsten Geburtstag vor wenigen Wochen hinter Gittern, sondern auch schon den fünfzigsten – zwischen 2011 und 2014 war er ebenfalls Gefangener des belarussischen Regimes.
Schon 25 Jahre lang Aktivist
Offizieller Grund für seine Verhaftungen waren jeweils vermeintliche Steuerhinterziehungen. Kritiker sehen hinter diesen Vorwürfen aber einen Versuch des autokratischen Staatschefs Alexander Lukaschenko, Bjaljazki zum Schweigen zu bringen. Während der Massenproteste gegen die Regierung vor knapp zwei Jahren war Bjaljazki schließlich einer der lautesten und prominentesten Dissidenten. In seinen 25 Jahren als Aktivist erzürnte er das Regime vor allem durch die Gründung der bedeutenden Bürgerrechtsorganisation Wjasna.
Mit der Auszeichnung forderte das Nobelpreis-Komitee Lukaschenkos Regime dazu auf, Bjaljazki freizulassen. Dass das wirklich passiert, glauben die wenigsten. Auch nicht Bjaljazkis Landsfrau Svetlana Tichanowskaja, die selbst als Anwärterin für den Nobelpreis gehandelt worden war: „Ich will ehrlich sein – der Preis könnte sogar seinen Wert als Geisel für das Regime erhöhen“, meldete sich die bekannte Oppositionelle besorgt zu Wort. Sie zeigte sich jedoch auch höchst erfreut über die Auszeichnung und bezeichnete Bjaljazki als den „Stolz der Belarussen“.
„Was? Unser Memorial?“
Die Gründerin von Memorial International, Swetlana Gannuschkina, zeigte sich von der Entscheidung des Komitees, auch ihre Organisation auszuzeichnen, überrascht:
„Was? Memorial? Unser Memorial? Wie das denn, ist doch aufgelöst“, lautete ihre erste öffentliche Reaktion. Memorial gilt als die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation Russlands. Sie setzt sich seit 1989 für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion ein. 2021 musste sie aufgelöst werden, weil sie der russischen Staatsanwaltschaft zufolge gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz verstieß.
Der dritte Preisträger, die Organisation CCL, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken – etwa rund um die Euromaidan-Proteste 2013/14 oder in den russisch besetzten Teilen der Ukraine.
Der diesjährige Friedensnobelpreisträger Bjaljazki