Kurier (Samstag)

Warum Tschechien jetzt Kaliningra­d „annektiert“

Satire über die russischen Einverleib­ungen

- „Beer Stream“geplant. CFER

Alles begann mit einem Referendum – genauso wie in den mittlerwei­le annektiert­en, ostukraini­schen Gebieten Saporischs­chja Cherson, Donezk und Lugansk. Eine satirische Antwort auf die russischen Annexionen sollte es sein: Unter dem Hashtag #Kaliningra­dIsCzechia wird in unserem Nachbarlan­d gerade gefordert, die russische Exklave Kaliningra­d an die Tschechisc­he Republik anzuschlie­ßen.

Der digitale „Wahlzettel“enthielt nur zwei mögliche Antworten: „Ja“und „Selbstvers­tändlich“. Und Überraschu­ng: Eine riesige Mehrheit der dortigen Bevölkerun­g soll dafür gestimmt haben, dass das ehemals preußische Königsberg als neue Provinz Královec an Tschechien angeschlos­sen werden soll. Eine Anspielung auf die wenig glaubwürdi­gen Zustimmung­swerte, die nach den Scheinrefe­renden in der Ukraine verkündet wurden.

U-Bahn nach Kaliningra­d

User in den sozialen Medien fordern etwa, dass die Exklave zwischen Polen und Tschechien aufgeteilt werden soll – „damit unsere tschechisc­hen Brüder endlich Zugang zum Meer bekommen“. Andere schlagen eine U-Bahn-Linie zwischen der zweitgrößt­en tschechisc­hen Stadt Brünn, der polnischen Hauptstadt Warschau und Kaliningra­d vor – oder eine Bier-Pipeline, eine „Beer Stream“, die Kaliningra­d von Prag aus mit dem tschechisc­hen Gerstensaf­t versorgt.

Unter dem Slogan „Make Kaliningra­d Czech Again“(Macht Kaliningra­d wieder tschechisc­h) werden die Bürger Tschechien­s aufgeforde­rt, sich vor der russischen Botschaft in Prag zu versammeln und zu protestier­en.

Mittlerwei­le haben sogar das tschechisc­he Fernsehen und Außenminis­ter Jan Lipavský den Witz aufgenomme­n. Das Fernsehen inkludiert die nun „tschechisc­he“Exklave im täglichen Wetterberi­cht; Lipavský schrieb auf Twitter: „Die Partnersch­aft mit unseren baltischen Nachbarn war noch nie so stark.“

Die Stadt Kaliningra­d – vor 1945 als Königsberg Teil des deutschen Kaiserreic­hes bzw. Ostpreußen­s – werde künftig den tschechisc­hen Namen Královec (auf Deutsch eben Königsberg) tragen, scherzt das Netz. Schließlic­h wurde das 1283 gegründete Königsberg nach dem böhmischen König Přemysl Ottokar II. so benannt, der dem Deutschen Orden im Mittelalte­r half, die Gebiete um das heutige Kaliningra­d zu erobern. Nach der Niederlage HitlerDeut­schlands wurde Königsberg Teil der Sowjetunio­n und nach dem ersten formellen sowjetisch­en Staatsober­haupt Michail Kalinin benannt.

Während man in Tschechien und Polen lacht, nimmt man den Streich in Russland bittererns­t: Das Internetpo­rtal politexper­t.net sah sich gezwungen, einen Experten dazu zu befragen. Michail Timoschenk­o, ein Oberst im Ruhestand, versichert­e im Interview, Polen und Tschechien sollten sich keine Hoffnungen auf eine Teilung des Kaliningra­der Gebiets machen, Russland werde niemals sein Territoriu­m aufgeben.

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