Kurier (Samstag)

Inflation frisst Wohlstand

Die AK zeichnet ein düsteres Bild. Doch auf welcher Basis? Gastkommen­tar

- Hanno Lorenz

„50 Prozent haben kein Polster gegen die Inflation“war am Donnerstag im KURIER zu lesen. Der Artikel bezog sich auf den aktuellen „Wohlstands­bericht“der Arbeiterka­mmer (AK), der mit düsteren Bildern aufwartet. Aber stimmt auch alles, was die AK da behauptet?

Dass die Hälfte der Österreich­er so gut wie keine finanziell­en Reserven habe, ist jedenfalls eine überrasche­nde Diagnose. Denn laut Vermögense­rhebung der Oesterreic­hischen Nationalba­nk hatte eine Person in der Mitte der Gesellscha­ft, je nach Alter, 14.000 bis 160.000 Euro Nettovermö­gen. Selbst Pensionist­en mit einem mittleren Nettovermö­gen von 98.000 Euro oder Arbeitslos­e mit durchschni­ttlich 3.000 Euro stehen nicht völlig blank da.

Insgesamt darf bezweifelt werden, dass viele Österreich­er angesichts milliarden­schwerer Antiteueru­ngspakete ihre Notgrosche­n überhaupt angreifen müssen. Natürlich wirken sich der Krieg in der Ukraine und die Teuerung negativ auf den Wohlstand der Österreich­er aus.

Überrasche­nd sind aber einige Schlüsse, welche die AK-Autoren aus ihrer Analyse ziehen: „Die Vermögensk­onzentrati­on spitzt sich zu“, wird etwa vermeldet. Fünf Prozent der Österreich­er besäßen 55 Prozent des Vermögens. Und: „Die ohnehin schon sehr hohe Vermögensk­onzentrati­on wird steigen“, heißt es im Bericht.

Wie die Kammer-Experten auf diese Werte kommen, verraten sie nicht. Der betreffend­e Indikator hat keine aktuellen Zahlen und kann damit auch keine Veränderun­g abbilden. Dennoch wurde die Kategorie in der Bewertung auf den negativste­n Wert abgestuft.

Die Angaben der AK sind nicht ganz nachvollzi­ehbar: Laut Nationalba­nk besitzen die reichsten fünf Prozent 48 Prozent des Nettovermö­gens. In der aktuellste­n Erhebung ist dieser Anteil auf 43 Prozent gesunken. Von einer Zuspitzung kann also keine Rede sein, im Gegenteil. Dass die Reichen demnächst reicher werden, ist angesichts der drohenden Krise eher nicht zu erwarten.

Man kann die hohe Vermögensu­ngleichhei­t in Österreich natürlich als Problem sehen. Aber dann sollte man die Gründe dafür nennen, um sie auch richtig zu adressiere­n: Die Hälfte der Österreich­er hat kein Wohneigent­um. Immobilien sind aber die wichtigste Vermögensk­omponente. Länder wie Estland, Polen, Litauen oder die Slowakei bringen es auf Eigentumsq­uoten von über 80 Prozent. Entspreche­nd fehlt es in der Mitte der Gesellscha­ft am Vermögen. Italiener, Spanier oder auch Slowenen sind hier vermögende­r. Die alten Rufe nach neuen, höheren Steuern und Preisdecke­ln helfen hier wenig. Wer die Verteilung gerechter gestalten will, der muss den Vermögensa­ufbau und den Immobilien­erwerb unterstütz­en. Überrasche­nd wenig Kritik hört man in Richtung Zentralban­k. Deren Aufgabe wäre es, für Preisstabi­lität zu sorgen. Dann käme aber auch die Sozialpoli­tik auf Pump unter Druck. ***

ist stv. Direktor des wirtschaft­sliberalen Thinktanks Agenda Austria

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