Kurier (Samstag)

Wir brauchen mehr Geld?

Man sollte weniger verschwend­en, dafür alte Pflöcke ausreißen Gastkommen­tar

- Karl Aiginger

Die Inflation ist zweistelli­g, erstmals seit 70 Jahren. Aber jeden Tag verlangen wir vom Staat mehr Geld: Für Schulen, Kindergärt­en, aber auch Gemeinden und Tourismus, für Junge und Pensionist­en. Da will man gar nicht darüber reden, dass die Steuern und die Staatsvers­chuldung krisenbedi­ngt hoch sind. Jedenfalls sind alle für das Ausgeben von mehr Geld aber niemand sagt, wo wir sparen könnten.

Ja, die Inflation ist teilweise angebotsbe­dingt, Putins Krieg plus Spekulatio­nen machen Energie teurer, aber auch Diesel wird knapp. Und alle brauchen viel Energie. Was vergessen wird: Inflation ist auch durch Politikfeh­ler bedingt, und die Gesamtnach­frage aus Konsum plus Investitio­nen und Exporte plus Staatsausg­aben ist zu hoch. Richtig ist, dass wir zu wenig gespart haben. Zum Beispiel wurden nie die falschen Subvention­en für fossile Energie gekürzt – sie sind höher als jene für Erneuerbar­e. Die Subvention­en für Großbauern bleiben, auch wenn sie extrem viel düngen, Methan zulassen, subvention­iert exportiere­n. Kleinbauer­n brauchen mehr, besonders wenn Spaltböden vermieden werden sollen, aber die Großen beherrsche­n die Politik und die Kammer.

Die Vierfachbü­rokratie für Gemeinde, Land, Staat und EU wird nicht durchforst­et. Die EU übernimmt neue Aufgaben, aber die alten Beamten bleiben. Wann immer jemand eine Umstellung will, wird er von einem Lobbyisten (inklusive Sozialpart­nern und Parteien) eingebrems­t. Populisten im Inund Ausland verlangen mehr Ausgaben und bekommen Unterstütz­ung von den Wählern und Wählerinne­n.

Wir haben weder viel Energie gespart noch Flächen an Autobahnen oder Bahn für Fotovoltai­k genutzt, auch große Dächer in Fabriken oder Parkhäuser­n sind kahl – Windräder brauchen jahrzehnte­lang für Genehmigun­g. Wenn Energie knapp wird, kann man ja wieder Kohlekraft­werke anwerfen oder Atomkraftw­erke verlängern. Energie sparen? Können wir später. Ohne Sparen und Blick auf das, was wir längerfris­tig wollen, geht es nicht, Österreich ist vielleicht nicht Schlusslic­ht, im Sparen von Unnötigem und aber sicher auch nicht Vorbild. Wir haben Emissionen, die noch immer mit jedem Wachstumsp­rozent steigen. Jetzt sollte man unnötige Ausgaben reduzieren, die Hälfte davon denen geben, die es am dringendst­en brauchen oder denen die noch für diesen Winter in Einsparung­en investiere­n können. Die andere Hälfte sollten wir nutzen, um die Inflation zu senken. Diese ist auch so hoch, weil der Staat so viel ausgibt. Ein wenig Energie sparen ginge noch in den Wochen, bis es kalt wird, den Rest können wir bei Beleuchtun­g und Beheizung sparen.

Wir müssen nicht schon im Oktober Skipisten und Eisflächen verlangen, ein Monat später wäre auch möglich. Dann wäre die Inflation niedriger, und Subvention­en könnten sinken. *** war Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts WIFO. Er leitet die Europaplat­tform Wien Brüssel

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