19 Grad: Die neue Frische
Niedrigere Raumtemperaturen werden heiß diskutiert. Aber wie fühlt sich das an? Ein Wohnbericht aus kühlen Tagen
19. Die Zahl hat mehr Bedeutung bekommen. Es sind jene Grad Celsius, auf die man sich verständigt hat, um das Energiesparziel zu erreichen. Neunzehn Grad sind zum Symbol geworden für weniger Gas- und Stromverbrauch, für Einsparungen und Verzicht, für den bevorstehenden Winter und die Energiekrise. Und tatsächlich sind neunzehn Grad Celsius eine durchaus ambitionierte Vorgabe. Ich kann das sagen, weil wir uns seit zwei Wochen in unserer Wohnung leicht oberhalb dieses Werts bewegen. Und bewusst die Heizung nicht aufdrehen, Gas und Strom sparen, obwohl es eigentlich Zeit fürs Heizen wäre.
Aber um vorweg gleich zu relativieren: 19,5 Grad, wie wir sie aktuell haben, sind weit weg von Leid oder größeren Entbehrungen. Sie sind einfach nur unkomod. Nicht kuschelig. Vor allem abends umschmeichelt uns eine ungewohnte Kühle, die nicht auffällt, wenn man aktiv ist, aber umso mehr, wenn man gemütlich sitzt.
Die Autorin erprobt das Wohnen bei 19,5 Grad: Nicht weiter schlimm und natürlich auszuhalten – aber weit weg von gemütlich
Am Waldrand
Unsere Situation: große Wohnung für fünf, Hund, die Lage ist exponiert am Rand des Wienerwalds. Bei uns ist es im Sommer immer etwas kühler als in der Stadt und im Winter frostiger. Vor allem abends zieht vom Berg die Frische herein. Und genau diese Frische macht’s jetzt frischer. Zudem hat die Wohnung drei Außenseiten und große Glasfronten. Das Thermometer in den Wohnräumen bewegt sich zwischen 19,5 und 20,5 Grad und damit außerhalb unserer Superkomfortzone. Alles gut auszuhalten, wenn man Fellpatschen und Pullover trägt. Aber eben nicht besonders angenehm.
Unsere Erfahrung hat uns gelehrt: Leben macht’s wärmer. Also Daheimsein, Kochen, Lichter, Haare föhnen und Fernseher andrehen bringen relativ schnell ein Grad mehr in die Wohnung. Ein Vollbad (böse!) lässt das Badezimmer zur Kuschelzone werden. Kerzen hingegen tragen leider nur wenig zur Raumtemperatur bei, schaffen aber immerhin eine heimelige Atmosphäre.
Neulich fragt ein Kollege, warum wir denn nicht heizen, wo wir uns doch unwohl fühlen? Ich meine, es geht um das große Ganze, um den gesellschaftlichen Beitrag in außergewöhnlichen Zeiten. Muss aber gleichzeitig zugeben, dass unser GasAbrechnungssystem
nicht gerade ermunternd auf die Kasteiung wirkt. Die Heizrechnung spiegelt nämlich nicht unseren individuellen Verbrauch wider, sondern der gesamte Hausverbrauch wird auf die jeweilige Wohnfläche aufgeteilt. Würden also die Nachbarn drauf pfeifen, hätten unsere Bemühungen in der Gesamtheit wenig Wirkung. Ein verwerflicher Gedanke.
Die Heizungen bleiben noch aus, unsere neue Untergrenze ist 19 Grad Celsius