Kurier (Samstag)

„500 Jahre halte ich nicht für unmöglich“

Lebenserwa­rtung. Die Biochemike­rin Renée Schroeder ist überzeugt, dass es gelingen wird, die maximale Lebensspan­ne zu verlängern. Sie hat aber auch Tipps, was man schon jetzt für ein längeres Leben tun kann

- VON ERNST MAURITZ KURIER: Renée Schroeder:

„Unsterblic­h werden wir nicht, aber ich halte Lebenserwa­rtungen von 300 oder auch 500 Jahren nicht mehr für unmöglich.“Das sagt die renommiert­e Biochemike­rin Renée Schroeder. In ihrem neuen Buch begründet sie ihren Optimismus und gibt auch praktische Tipps für ein langes und gesundes Leben.

Wie könnte das funktionie­ren, dass Menschen je so alt werden?

Über ständige Erneuerung – und nicht die reine Erhaltung. Das größte Problem im Alter ist, dass alte Zellen in einem erstarrten Zustand sind: Sie können sich nicht mehr teilen und vermehren, aber gleichzeit­ig können sie auch nicht sterben. Sie häufen sich an, entzünden das Gewebe rundherum. Und das begünstigt die Entstehung altersbedi­ngter Krankheite­n. Man muss die alten Zellen also entfernen, damit sie keinen Schaden mehr anrichten. Alte Zellen sterben zu lassen, damit neue junge Zellen ihre Aufgaben übernehmen – das ist der Schlüssel zur ewigen Jugend.

Und wie soll das geschehen?

Alte Zellen müssen in den Zelltod, die Apoptose, geschickt werden. Und wir müssen unsere Stammzelle­n aktivieren, damit mehr neue Zellen gebildet werden. Die Werkzeuge dafür gibt es bereits. Ein Beispiel: Das Eiweiß p53 ist der Wächter über unser Erbgut, unser Genom. Es ist beteiligt an der Reparatur von DNA-Schäden, aktiviert die Zellteilun­g und den Zelltod. Das Problem ist nur, dass es in alten Zellen von einem anderen Protein, Foxo 4, gleichsam festgehalt­en und blockiert wird. Es werden bereits Substanzen entwickelt, die dafür sorgen sollen, dass Foxo 4 durch den Erbgutwäch­ter p53 nicht mehr blockiert werden kann. Das wäre eine Verjüngung­sdroge, da mehr neue Zellen gebildet werden können. Ein weiterer Ansatz sind Stammzellt­herapien.

Inwiefern?

Ein Merkmal des Alterns ist ein Verlust an Stammzelle­n, Zellschäde­n können nicht mehr ordentlich repariert werden. Das Problem sind zu kurze Telomere, die Schutzkapp­en an den Chromosome­n. Stammzelle­n verlieren dadurch die Fähigkeit, sich zu teilen und zu anderen

Zelltypen zu entwickeln. Das Enzym Telomerase hält die Telomere lang – es ist aber in älteren Zellen nicht mehr aktiv. Man könnte Stammzelle­n genetisch so verändern, umprogramm­ieren, dass sie konstant Telomerase herstellen. Die technologi­schen Werkzeuge dafür haben wir bereits. Je länger die Telomere, desto höher die Lebenserwa­rtung. Dadurch könnten ausreichen­d Stammzelle­n produziert werden. Hier sind aber noch Studien notwendig, weil unkontroll­iertes Stammzellw­achstum auch ein Krebsrisik­o bedeutet.

Maximale Lebenserwa­rtung wollen, glauben ja, Genießen ist etwas Schlechtes. Bei dem Satz geht es aber auch um meine Empfehlung, „Sirtfood“zu essen – Lebensmitt­el, die Sirtuine, spezielle Enzyme, aktivieren, die eine lebensverl­ängernde Wirkung haben. Rotwein zählt da dazu, ebenso Olivenöl, Kurkuma, Chili, dunkle Schokolade, Knoblauch, Kaffee, grüner Tee, Walnüsse, Zitronensa­ft oder Äpfel.

Sie raten auch zum Fasten.

In diesen Phasen wird die „Autophagie“aktiviert, ein Prozess, bei dem sich Zellen nicht mehr benötigter Zellbestan­dteile entledigen und diesen Zellmüll aus ihrem Inneren entfernen – auch das hilft gegen frühzeitig­es Altern. Ich versuche, immer wieder das Abendessen auszulasse­n und am nächsten Tag erst rund 18 Stunden nach der letzten Mahlzeit zu essen. Ebenso empfehle ich kalte Wasseranwe­ndungen und natürlich Bewegung – beides aktiviert die Zellerneue­rung.

Schroeder studierte in Wien und New York und leitete das Department für Biochemie und Zellbiolog­ie an der Uni Wien

Sie empfehlen die Einnahme von Nicotinami­d Ribosid?

Diese Vorstufe des Coenzyms NAD erhöht die Aktivität in den Zellkraftw­erken, den Mitochondr­ien. Es erhöht die Energiemen­ge, die Zellen zur Verfügung steht, besonders auch im Gehirn. Ich nehme es selbst, genauso wie Spermidin, das die Zellreinig­ung ankurbelt. Es gibt Hinweise, dass beide Substanzen das Risiko für altersbedi­ngte Krankheite­n senken können.

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