Kurier (Samstag)

Putin ist heute, China ist morgen

- VON WOLFGANG UNTERHUBER wolfgang.unterhuber@kurier.at

China ist das einzige Land, das die Absicht hat, die internatio­nale Ordnung zu verändern. Und zwar mit allen wirtschaft­lichen, politische­n, militärisc­hen und technologi­schen Mitteln. Das schrieb sinngemäß US-Präsident Joe Biden in einer am Mittwoch veröffentl­ichten Publikatio­n zur nationalen Sicherheit­sstrategie.

Der Zeitpunkt der Veröffentl­ichung war bewusst gewählt. Denn morgen beginnt in Peking der 20. Parteitag der Kommunisti­schen Partei. Höhepunkt der Selbstinsz­enierung wird die Wahl von Staats- und Parteichef Xi Jinping für eine weitere Amtsperiod­e sein. Vielleicht ist es nur ein Zufall: Aber mit seinen scheinbare­n Gesten der Bescheiden­heit bei den minutenlan­gen Ovationen, seinem väterlich wohlwollen­den Gehabe in der Öffentlich­keit und seinem leichten Watschelga­ng erinnert der rote Kaiser in Peking immer mehr an den einstigen roten Zaren Josef Stalin.

Auch sonst drängt sich (abseits des ökonomisch­en und ideologisc­hen Aspekts) in machtpolit­ischer Hinsicht so manche Parallelit­ät auf. Beide brachten es vom unscheinba­ren und unterschät­zten Funktionär zum obersten Magnaten. Beide räumten sie raffiniert interne Konkurrent­en aus dem Weg und sicherten ihre Macht mit Säuberungs­wellen und Arbeitslag­ern. Vor allem aber: Beide machten aus ihren Ländern eine Supermacht – und zu einer Gefahr für den Westen. Doch während die Sowjetunio­n knapp vier Jahrzehnte nach Stalins Tod aufgrund der sozialisti­schen Planwirtsc­haft implodiert­e, ist das turbokapit­al-marxistisc­he China eine Macht im Aufstieg. Früher hieß es: Hustet die Wall Street, bekommt die ganze Welt Grippe. Heute kann man sagen: Fällt in Peking ein Rad um, stolpern wir alle hinterher. Kaum ein Rohstoff, der nicht vom Reich der Mitte kontrollie­rt wird. Kaum ein Produkt, in dem nicht zumindest ein kleiner Teil China steckt. „China wärmt Europa“titelte neulich ein Wirtschaft­sportal in Schanghai. Grund: 60 Prozent aller Wärmepumpe­n weltweit werden in China hergestell­t. Nur ein Beispiel, das zeigt, wie sehr Europa von China abhängt.

Gefährlich ist China aber vor allem aus einem Grund: Xi Jinping fährt einen klar aggressive­n revisionis­tischen Kurs, womit er sich deutlich von seinen Vorgängern unterschei­det. Es ist wohl keine Kunst zu behaupten, dass China noch vor dem 100jährige­n Jahrestag der kommunisti­schen Machtübern­ahme 1949 Taiwan überfallen wird. Dann wäre das alte chinesisch­e kaiserlich­e Imperium wieder hergestell­t. Denn Chinas Kommuniste­n denken in historisch­en Dimensione­n.

Dieser Tage wird in Europa gerne darüber geredet, wie es mit Putin so weit kommen konnte. Wir sollten uns gerade jetzt auch Gedanken darüber machen, wie es mit der chinesisch­en Bedrohung weitergeht.

Noch vor dem Jahr 2049 wird China Taiwan überfallen. Dann wäre das alte kaiserlich­e Imperium wieder hergestell­t

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