Putin ist heute, China ist morgen
China ist das einzige Land, das die Absicht hat, die internationale Ordnung zu verändern. Und zwar mit allen wirtschaftlichen, politischen, militärischen und technologischen Mitteln. Das schrieb sinngemäß US-Präsident Joe Biden in einer am Mittwoch veröffentlichten Publikation zur nationalen Sicherheitsstrategie.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war bewusst gewählt. Denn morgen beginnt in Peking der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei. Höhepunkt der Selbstinszenierung wird die Wahl von Staats- und Parteichef Xi Jinping für eine weitere Amtsperiode sein. Vielleicht ist es nur ein Zufall: Aber mit seinen scheinbaren Gesten der Bescheidenheit bei den minutenlangen Ovationen, seinem väterlich wohlwollenden Gehabe in der Öffentlichkeit und seinem leichten Watschelgang erinnert der rote Kaiser in Peking immer mehr an den einstigen roten Zaren Josef Stalin.
Auch sonst drängt sich (abseits des ökonomischen und ideologischen Aspekts) in machtpolitischer Hinsicht so manche Parallelität auf. Beide brachten es vom unscheinbaren und unterschätzten Funktionär zum obersten Magnaten. Beide räumten sie raffiniert interne Konkurrenten aus dem Weg und sicherten ihre Macht mit Säuberungswellen und Arbeitslagern. Vor allem aber: Beide machten aus ihren Ländern eine Supermacht – und zu einer Gefahr für den Westen. Doch während die Sowjetunion knapp vier Jahrzehnte nach Stalins Tod aufgrund der sozialistischen Planwirtschaft implodierte, ist das turbokapital-marxistische China eine Macht im Aufstieg. Früher hieß es: Hustet die Wall Street, bekommt die ganze Welt Grippe. Heute kann man sagen: Fällt in Peking ein Rad um, stolpern wir alle hinterher. Kaum ein Rohstoff, der nicht vom Reich der Mitte kontrolliert wird. Kaum ein Produkt, in dem nicht zumindest ein kleiner Teil China steckt. „China wärmt Europa“titelte neulich ein Wirtschaftsportal in Schanghai. Grund: 60 Prozent aller Wärmepumpen weltweit werden in China hergestellt. Nur ein Beispiel, das zeigt, wie sehr Europa von China abhängt.
Gefährlich ist China aber vor allem aus einem Grund: Xi Jinping fährt einen klar aggressiven revisionistischen Kurs, womit er sich deutlich von seinen Vorgängern unterscheidet. Es ist wohl keine Kunst zu behaupten, dass China noch vor dem 100jährigen Jahrestag der kommunistischen Machtübernahme 1949 Taiwan überfallen wird. Dann wäre das alte chinesische kaiserliche Imperium wieder hergestellt. Denn Chinas Kommunisten denken in historischen Dimensionen.
Dieser Tage wird in Europa gerne darüber geredet, wie es mit Putin so weit kommen konnte. Wir sollten uns gerade jetzt auch Gedanken darüber machen, wie es mit der chinesischen Bedrohung weitergeht.
Noch vor dem Jahr 2049 wird China Taiwan überfallen. Dann wäre das alte kaiserliche Imperium wieder hergestellt