Wie sich die Russen auf den Gegenstoß vorbereiten
Zivilisten sollen flüchten, anderswo bauen russische Verbände Stellungen aus, um einen weiteren Vormarsch zu verhindern
Angesichts der ukrainischen Gegenoffensiven haben die russischen Besatzer im südlichen Gebiet Cherson Zivilisten zur Flucht aufgerufen. Zu ihrer eigenen Sicherheit werde den Menschen empfohlen, nach Russland auszureisen, sagte der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef Kirill Stremoussow. Laut Einschätzungen westlicher und russischer Militärexperten könnten die ukrainischen Truppen schon in der kommenden Woche ihre Gegenoffensive auf die symbolträchtige Stadt weiter vorantreiben und große Gebietsgewinne erzielen. Ähnlich verhält es sich an der Oblast-Grenze zwischen Charkiw und Luhansk: Dort haben die ukrainischen Streitkräfte nach ihrem überraschenden Gegenstoß im September laut russischen Lageinformationen frische Verbände aufgestellt, die den Ort Svatove befreien sollen. Würde das gelingen, wäre der Weg zur Stadt Sjewjerodonezk frei – jenem Ort, den die russischen Truppen im Juni erobern konnten.
Befestigte Stellungen
Um das zu verhindern, befestigen die russischen Streitkräfte die etwa 40 Kilometer lange Verbindungslinie zwischen Svatove und Kremmina. Das Erfolgsrezept der Ukrainer war es bisher, mit leichten Einheiten die russischen Verbände an der Front zu umgehen und sie voneinander zu trennen. Befestigte Verteidigungsanlagen dürften die russische Antwort auf diese Taktik sein. Ukrainische Offiziere geben sich kryptisch: „Wie genau es weitergeht, wissen wir noch nicht. Aber Oleksandr Syrskyj (der General, der hinter der Gegenoffensive im September steckt, Anm.) wird sich schon etwas ausdenken, womit die Russen nicht rechnen.“
Scheinbar will man im Kreml nichts mehr dem Zufall überlassen: Selbst südlich von Sjewjerodonezk, 30 Kilometer von der Front in Donezk, graben die Russen Schützengräben – in dieser Region sind sie derzeit am Vormarsch.