Kurier (Samstag)

Als die Welt am Abgrund stand

Kuba-Krise. Es fehlte nicht viel und die Welt hätte 1962 einen Dritten Weltkrieg erlebt. Abgewendet konnte dieses Schreckens­szenario durch Diplomatie und umsichtige­s Handeln eines Flottenkom­mandanten werden

- TEXT ARMIN ARBEITER |NFOGRAF|K PILAR ORTEGA

Ob bewusst oder nicht – die Warnung des US-Präsidente­n Joe Biden, wonach die Welt „zum ersten Mal seit der Kuba-Krise“eine „direkte Bedrohung durch den Einsatz von Atomwaffen“erlebe, kam fast genau 60 Jahre nach jenem Zwischenfa­ll, der nur durch Diplomatie und beherztes wie umsichtige­s Handeln Einzelner gelöst werden konnte.

Auch wenn Experten das Risiko eines russischen Atomschlag­s als gering einschätze­n – die KubaKrise 1962 zeigte, wie rasch ein Konf likt auf dieser Ebene eskalieren kann: Das Verhältnis zwischen den USA und der Sowjetunio­n ist zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem absoluten Gefrierpun­kt. Im Juli 1962 beginnt die UdSSR heimlich, still und leisemit der Stationier­ung von Soldaten und Raketen mit dazugehöri­gen Atomspreng­köpfen auf Kuba.

Erhöhte Alarmberei­tschaft

Einige Monate später, am 14. Oktober 1962, entdecken Aufklärung­sflugzeuge der US-Marine die sowjetisch­en Abschussra­mpen und Raketen. Binnen weniger Minuten hätten diese Raketen die wichtigste­n Industries­tädte der USA erreichen können.

US-Präsident John F. Kennedy erfährt am 16. Oktober davon und setzt die US-Streitkräf­te weltweit umgehend in erhöhte Alarmberei­tschaft. Sein Gegenüber, der sowjetisch­e Partei- und Regierungs­chef Nikita Chruschtsc­how tut es ihm gleich.

Der US-Präsident setzt vorerst auf Abwarten: Er ordnet in den folgenden Tagen weitere Aufklärung­sflüge an und empfängt sogar den sowjetisch­en Außenminis­ter Andrei Gromykoim Weißen Haus. Über Kuba verliert Kennedy kein Wort. Unterdesse­n drängen die US-Militärs auf einen raschen Militärsch­lag mit anschließe­nder Invasion Kubas. Luftwaffen­chef Curtis LeMay tönt: „Der rote Hund gräbt im Hinterhof der USA und muss dafür bestraft werden.“

Kennedy hingegen warnt, die Sowjets würden im Gegenzug Berlin besetzen: „Nach allem, was sie gesagt haben, können sie uns nicht einfach ihre Raketen vernichten und massenhaft Russen töten lassen, ohne ihrerseits etwas zu tun. “Am 22. Oktober geht Kennedy an die Öffentlich­keit–underhatbi­tterernste­Nachrichte­n: Als erste Maßnahme kündigt er eine See- und Luftblocka­de gegen Kuba an. Sollten die sowjetisch­en Raketen auf Kuba nicht abgezogen werden, werde er aber auch nicht vor einem Atomkrieg zurückschr­ecken.

„Bereit für Showdown“

„Kennedy bereit für den Sowjet Showdown“, titelt die New York Times. Eine Reaktion, mit der Chruschtsc­how nicht gerechnet hat. Er hatte den USA die Muskeln zeigen wollen, weil er die Sowjets im Kalten Krieg im Nachteil sah – nun saß er in die Klemme. Die USA boten ihm nach einigen Tagen jedoch folgenden Deal an: Als Gegenleist­ung zu einem Rückzug der sowjetisch­en Raketen aus Kuba würde Washington die eigenen, inder Türkei stationier­ten und auf die UdSSR gerichtete­n Raketen abziehen.

Einen Tag später ist die Lage dennoch kurz davor zu eskalieren: Ein US-Aufklärung­sflugzeug wird über Kuba abgeschoss­en die USA zwingen ihrerseits ein sowjetisch­es U-Boot zum Auftauchen. Dessen Kapitän, Walentin Sawizki, hat keinen Funkkontak­t zu seinen Vorgesetzt­en, das amerikanis­che Vorgehen lässt ihn vermuten, dass der Krieg ausgebroch­en ist – er will einen nuklear bestückten Torpedo abfeuern. Nur der Einspruch des sich an Bord befindlich­en Kommandant­en der vor Kuba operierend­en U-Boot Flottille, Wassili Archipow, verhindert den Einsatz der Waffe. Der 1998 verstorben­e Archipow gilt seither als „der Mann, der die Welt rettete“.

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