Kurier (Samstag)

EU-Druck auf Belgrad: Serbien könnte Visafreihe­it verlieren

Balkanrout­e. EU-Innenminis­ter suchten nach Bremse gegen steigende Migration

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Es war eine der heftigsten Drohungen der europäisch­en Migrations­politik, die EU-Kommissari­n Ylva Johannson am Freitag auspackte: „Ich schließe nicht aus, und ich hoffe, das wir zu einer guten Kooperatio­n zusammenfi­nden“, aber sollte Serbien die irreguläre Migration von seinem Land aus nicht zum Stoppen bringen, könnte Serbien selbst einen hohen Preis zahlen müssen, warnte die Kommissari­n beim Treffen der EU-Innenminis­ter in Luxemburg: Dann nämlich könnte die serbische Bevölkerun­g den visafreien Zugang zur EU verlieren.

Den gibt es seit zehn Jahren – und für die Serben, anders als etwa für die Kosovaren, ist er bereits eine Selbstvers­tändlichke­it: Wer in ein Land der EU fahren will, braucht kein Visum – Serben können sich 90 Tage lang in einem der 27 EU-Staaten aufhalten.

Dass die EU mit dieser drastische­n Maßnahme droht, ist eine Art Notbremse.

Auf einem Höchststan­d

Die Zahl der illegalen Grenzübert­ritte hat heuer das erste Mal seit 2016 wieder einen Höchststan­d erreicht: Rund 228.000 Menschen sind von Jänner bis Ende September auf irreguläre­n Wegen in der EU angekommen – um 70 Prozent mehr als im Vergleichs­zeitraum 2021, teilt die EU-Grenzschut­zagentur Frontex mit.

Besonders viele kamen dabei über die Balkanrout­e: Allein im September waren es 19.160 Personen, und damit doppelt so viele wie im Jahr davor. Einer der Gründe, warum die Zahlen so stark stiegen, liegt in der Visa-Politik Serbiens: Inder, Tunesier und Bewohner vieler afrikanisc­her Staaten können problemlos in Serbien einreisen, ein Visum brauchen sie dafür nicht. Von dort aus machen sich die meisten Migranten auf illegalen Wegen weiter auf in die EU.

Österreich bekam dies heuer deutlich zu spüren: 70.000 Asylanträg­e wurden heuer schon gestellt. Erstmals waren Inder dabei – ihre Chancen hier Asyl zu bekommen, liegen bei null. „Es ist notwendig, dass Serbien seine Visa-Politik ändert“, forderte Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) in Luxemburg gestern erneut. Auch Deutschlan­ds Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) schloss sich dieser Forderung an, ebenso wie die große Mehrheit der EU-Staaten.

Mehr Tempo gefordert

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hat Österreich­s Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) zwar zugesicher­t, dass er die Visafreihe­it für eine Reihe von Staaten gegen Jahresende ändern werde. Doch Österreich ebenso wie Slowenien, Kroatien, Ungarn, Tschechien und Deutschlan­d geht das zu langsam. Es gibt Befürchtun­gen, dass sich in der Zeit bis dahin noch mehr Menschen in Bewegung setzen könnten.

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