„Es ist mir wurscht“
Sebastian Kurz. Ein Jahr nach seinem Polit-Rückzug präsentiert der 36-Jährige ein Buch und sich als Unternehmer. Der Ex-Kanzler über seinen Beschuldigten-Status, das Türkise in der ÖVP und Dominik Wlazny
Am 9. 10. 2021 tritt Sebastian Kurz erst als Kanzler, wenig später von allen politischen Ämtern zurück. In einem Buch gibt der Ex-ÖVP-Chef nun in 24 Kapiteln seine Sicht auf seine zehnjährige Polit-Karriere wieder.
KURIER: „Reden wir über Politik“heißt Ihr Buch. Warum der Rückblick, wenn Sie eine Rückkehr in die Politik ausschließen?
Sebastian Kurz: Es haben mich viele angesprochen, meine Sicht auf die Dinge darzulegen und Einblicke in das zu geben, was ich jetzt tue. Zuerst wollte ich nicht, konnte dann aber der Idee von Conny Bischofberger und dem Verlag etwas abgewinnen. Um Bilanz zu ziehen über 10 Jahre in der Regierung, was uns im Team gelungen ist und was nicht.
Seit Ihrem Rücktritt ist nun mit dem Abgang von Markus Gstöttner (Kurz’ Vize-Kabinettschef und Nehammers Kabinettschef) niemand mehr aus dem Team Kurz in der ÖVP. Wie viel Türkis steckt noch in der ÖVP?
Für mich ist das keine relevante Frage. Ich bin politisch sozialisiert worden in der Zeit von Wolfgang Schüssel. Er hat der Partei seinen Stempel aufgedrückt, in der Koalition mit der FPÖ einen Reformkurs und eine Linie vorgegeben. Danach gab es andere Obleute, die ihre Schwerpunktsetzung hatten.
Sie werden als Beschuldigter in der Chat-Affäre geführt. Empfinden Sie Schuld?
Am Anfang, als die Vorwürfe erhoben worden sind und ich noch Politiker war, habe ich mich sehr geärgert. Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt und: Es hat mich in meiner politischen Tätigkeit behindert, da die falschen Anschuldigungen vom politischen Gegner sofort ausgeschlachtet wurden. Heute spielt es keine Rolle mehr, aber ich gebe zu: Ich freue mich auf den Tag, an dem sich herausstellen wird, dass diese Vorwürfe gegen mich falsch waren. Es sind mittlerweile zwei Dutzend Personen einvernommen worden, deren Aussagen für mich allesamt entlastend waren. Gut Ding braucht Weile.
Heute arbeiten Sie mit umstrittenen Personen wie ExPayPal-Gründer Peter Thiel und Ex-Pegasus-Gründer Shalev Hulio in Israel zusammen und geraten so in die Schlagzeilen…
… immer, wenn man als Politiker in einer Spitzenfunktion tätig war und eine Meinung vertreten, Ecken und Kanten gezeigt hat wie ich, dann ist völlig klar, dass man unter Beobachtung steht. Dass ich kritisiert werde, das halte ich aus. Mehr noch, ich würde sagen: Es ist mir wurscht.
Tech-Milliardär Peter Thiel unterstützte US-Präsident Trump, Hulio hat die Spionagesoftware Pegasus entwickelt.
Thiel ist ein Unterstützer der Republikaner, er ist aber vor allem einer der erfolgreichsten Investoren der Welt. Er hat Firmen wie Facebook und PayPal geprägt.
Warum das Engagement mit Shalev Hulio, dessen Software Menschenrechtsaktivist Mansoor und den ermordeten Journalisten Kashoggi ausspionierte?
Das von uns gegründete Unternehmen Dream Security hat damit nichts zu tun. Es beschäftigt sich vielmehr genau mit dem Gegenteil. Mit der Abwehr von Cyberattacken und dem Schutz der kritischen Infrastruktur wie der Energie-, Wasser- oder Gesundheitsversorgung oder großen Produktionsstätten.
Wie hoch ist das Risiko, das Sie nehmen?
Wenn man investiert in Start-ups, dann gibt es eine
klare Regel: Es gibt keine
Chance ohne Risiko. Ein aktuelles Beispiel: an unserem Cybersecurity Unternehmen haben sich binnen kurzer Zeit Investoren aus den USA und Israel mit 20 Millionen Dollar eingekauft.
Ex-Kanzler Christian Kern ist auch in Israel tätig, investiert in Unternehmen. Vorstellbar, dass Sie sich irgendwo gemeinsam beteiligen?
Das würde mich sehr überraschen.
Mit Hofburg-Kandidat Dominik Wlazny hat ein mit Ihnen gleichaltriger Politiker die politische Bühne betreten. Wird er bleiben?
Ich maße mir keine Beurteilung an, weil ich den Wahlkampf nicht mitverfolgt habe.