Kurier (Samstag)

Analysten erwarten Zinssenkun­g erst ab 2024

Kapitalmar­kt. Aktien gelten im aktuellen Umfeld nicht mehr als alternativ­los

- VON ANITA KIEFER

„Im 4. Quartal 2022 und im 1. Quartal 2023 werden wir eine Schrumpfun­g der Wirtschaft­sleistung verbuchen, eine klassische Rezession, nicht nur eine Industrie-Rezession.“Gunter Deuber, Leiter Raiffeisen Research, fasst das aktuelle Umfeld klar zusammen. Einen „zögerliche­n, nicht sehr dynamische­n Aufschwung“wird man erst ab dem 2. Quartal sehen. 2023 werde es ein BIP-Wachstum geben, wenn auch ein moderates – mit 0,5 Prozent für Österreich und 0,3 Prozent für die Eurozone.

Hohe Zinsen bis 2024

Gerade für Österreich, das im ersten Halbjahr 2022 der „Wachstumsk­aiser der Eurozone“war, werde es einen deutlich spürbaren Einschnitt geben. „Das ist ein Szenario, das auch für den Kapitalmar­kt relevant ist.“

Aus mehreren Gründen: Die Inflation in der Eurozone – und auch Österreich – werde bis 2024 „deutlich über dem EZB-Ziel“liegen, das ja bei 2 Prozent liegt. In Österreich werden 6 Prozent für 2023 und 3,1 Prozent für 2024 prognostiz­iert.

Eine Einschätzu­ng, die auch EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde teilt. Die Inflation sei viel zu hoch und werde im Euroraum auch 2023 und 2024 über der EZB-Zielmarke von 2 Prozent liegen, so die Französin in einer Erklärung zum Jahrestref­fen des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Washington. Auch dass die Leitzinsen weiter steigen werden, bestätigte Lagarde wenig überrasche­nd.

Die nächste Sitzung ist am 27. Oktober. „Die EZB wird sicher bis 2024 nicht über Zinssenkun­gen nachdenken können“, stellte Gunter Deuber klar.

Zurück zum Kapitalmar­kt. Bei den Aktien habe sich eine „Zeitenwend­e“vollzogen – lange galten sie bei der Geldanlage ja als alternativ­los. „Über alle Regionen hinweg gab es Kursrückgä­nge“, fasst Christian Hinterwall­ner, Abteilungs­leiter Aktienrese­arch bei Raiffeisen Research, zusammen.

Die wesentlich­en Aktienindi­zes seien seit Jahresbegi­nn deutlich im Minus. Auch nach Sektoren hat es durch die Bank Rückgänge geben, am hinteren Ende sind die Zykliker und TechTitel angesiedel­t. Erst wenn die US-Notenbank „in Richtung Frühjahr 2023“die Zinsen nicht mehr anhebt, „gibt es eine Chance auf Erholung an den Aktienmärk­ten“. Nachsatz: US-Aktien seien aber dann attraktive­r als die europäisch­en Pendants. Generell sei ein Kaufkrafte­rhalt am Finanzmark­t momentan schwierig.

Alternativ­en?

Echte Alternativ­en momentan seien etwa Unternehme­nsanleihen. Hier erwarte man sich „mittelfris­tig deutlich höhere Erträge als am Aktienmark­t“, so Deuber.

Die Gefahr eines BankenCras­hs sei übrigens nicht gegeben, so die Analysten von Raiffeisen Research. Die Banken seien nämlich viel besser aufgestell­t als in den vergangene­n Krisen. Die NPL-Quote (also die Quote der „faulen“, Not leidenden

Kredite) liegt aktuell auf einem historisch niedrigen Niveau von etwa 2 Prozent. Sie werde zwar steigen, aber langsam. „Es wird dauern, bis wir überhaupt auf 3 Prozent kommen“, so Jörg Bayer, Abteilungs­leiter von Fixed Income & ESG bei Raiffeisen Research.

Was die besicherte­n Kredite angeht, glaubt Bayer nicht, dass „der Wohnimmobi­lienmarkt mehr als 20 Prozent korrigiert“– auch hier also keine Gefahr für die Banken. Und die Unternehme­n seien sowieso „fundamenta­l stark aufgestell­t“, teilweise besser als vor der Pandemie. Diese würden die Kredite großteils bedienen können. Und: Die Kapitalisi­erung der Banken hat sich seit 2014 stark verbessert.

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