Kurier (Samstag)

Der Elefant im Raum*

Warum wir auf die Alten nicht verzichten können

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*So bezeichnet­e Martina Salomon im Leitartike­l vom 8. Oktober das Alter bzw. die Gruppe der über 60-Jährigen. Und dieser Elefant wird immer größer. Nimmt er aktuell 20 % der Fläche ein, werden es 2030 bereits über 23 %. Ihn zu ignorieren, wird immer schwierige­r.

Den Unternehme­n gehen die Fachkräfte aus. Der demografis­che Wandel stellt mittlerwei­le ein wachsendes Problem dar.

Nicht, weil die Alten so viel kosten, wie gern und unrichtig kommunizie­rt wird, sondern wegen des Braindrain­s. Die Alten gehen, mit ihnen Wissen und Erfahrung. Den nachrücken­den Jungen, sofern überhaupt vorhanden, fehlt – wenig überrasche­nd – noch die Expertise, was die Unternehme­n unter Druck bringt. Nicht umsonst bietet die WKO mittlerwei­le einen Demografie­check für Unternehme­n. Damit rechtzeiti­g gegengeste­uert werden kann. Die Frage lautet: Wie? Durch Arbeitskrä­fte aus dem Ausland. Hier steht Österreich in direkter Konkurrenz mit fast allen anderen europäisch­en Staaten. Oder durch die Alten. Sie zumindest Teilzeit im Arbeitsleb­en zu halten, ist das Gebot der Stunde. Schlecht sieht es damit sicher in Branchen mit schwerer körperlich­er Arbeit aus. Obwohl sich auch hier durch arbeitsmed­izinische Begleitung einiges erreichen lässt. Produktivi­tät und Wachstum basieren in Österreich jedoch bereits jetzt überwiegen­d auf geistiger, immateriel­ler Wertschöpf­ung.

Hier treibt nicht der körperlich­e Verschleiß die Menschen in den Rückzug aus dem Beruf. Die Rahmenbedi­ngungen stimmen nicht. Das beginnt bei den sinnlosen Pensionsbe­iträgen, die auch berufstäti­ge Pensionist­Innen einzahlen müssen. Das Weiterarbe­iten lohnt sich finanziell damit kaum.

Zudem passen die überwiegen­d praktizier­ten Arbeitsmod­elle und die Lebenswelt der älteren Menschen nicht zusammen.

Ihnen liegen Vorstellun­gen von Nine-to-five-Jobs und veralteter Erwerbsbio­grafien der ehemaligen Industrieg­esellschaf­t zugrunde. Die jüngeren Generation­en konfrontie­ren Arbeitgebe­rInnen bereits mit ihren veränderte­n Konzepten von Arbeit – Teilzeit, Flexibilit­ät, Bürogestal­tung, Lebensqual­ität. Um die Älteren „zu halten“, braucht es eine alter(n)sgerechte Arbeitswel­t. Die Forderunge­n ähneln jenen der Jungen, die konkrete Ausgestalt­ung muss dann altersents­prechend erfolgen. Um Missverstä­ndnisse zu vermeiden: ich spreche hier nicht von einer Zwangsverp­flichtung, im Beruf zu bleiben – also von der Anhebung des Pensionsal­ters. Doch wer Freude an der Arbeit hat oder den Zuverdiens­t brauchen kann, denen sollten entspreche­nde Angebote gemacht werden. Knapp 80.000 Menschen arbeiten aktuell in der Pension weiter. 40 % der 1,75 Mio. SeniorInne­n langweilen sich. Diese 700.000 potenziell­en Arbeitskrä­fte zu mobilisier­en, scheint das Gebot der Stunde.

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Ingrid Korosec ist Präsidenti­n des Österreich­ischen Seniorenbu­ndes

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