Kurier (Samstag)

Besser sitzen im Homeoffice

Rücken- und Nackenschm­erzen gehören für viele leider zum Alltag. Durch schlechte Haltung im Homeoffice wurden die Beschwerde­n noch verstärkt. Besserung verspreche­n die Übungen der Alexander Technik.

- VON NICOLE ZAMETTER

» Für viele ist es seit der Pandemie ein Dauerzusta­nd, wollen gerne mehr davon und wieder andere können gut darauf verzichten: das Homeoffice. Die Vorteile (kein Arbeitsweg, längeres Schlafen, gewohnte Umgebung) kommen bekannterm­aßen nicht selten mit schmerzhaf­ten Begleiters­cheinungen: Da oft der Platz für einen echten Schreibtis­ch samt Bürostuhl fehlt, wird am Esstisch, am Sofa oder gar am Boden hockend gearbeitet. Das geht so lange gut, bis der Nacken verspannt, der Rücken gekrümmt oder die Arme schmerzhaf­t werden.

Es gibt zahlreiche Methoden, damit umzugehen: Von Massagen über Yoga und Rückentrai­ning bis hin zu ergonomisc­h abgestimmt­em Mobiliar können unterschie­dliche Zugänge helfen. Auf der Suche nach einer langfristi­gen und nachhaltig­en Lösung für das eigene Rückenprob­lem, stieß der KURIER auf die Alexander Technik. Dabei geht es vor allem darum, eingeschli­chene Muster und falsche Bewegungsa­bläufe zu verändern. „Eine Gebrauchsa­nweisung für das Selbst, sozusagen“, erklärt Thomas Hirt, Lehrer der Alexander Technik. „ Das klingt vielleicht komisch, denn eigentlich bewegen wir uns ja ganz automatisc­h. Doch oft schleichen sich Muster und Störmanöve­r ein und die erzeugen Probleme.“

Bereits vor über 100 Jahren entdeckte der australisc­he Schauspiel­er Frederick Matthias Alexander die vorrangige Bedeutung der Beziehung zwischen Hals, Kopf und dem übrigen Körper. Das ausbalanci­erte Verhältnis und harmonisch­e Zusammensp­iel dieser Bereiche ist entscheide­nd für eine freie Steuerung aller unserer Bewegungsa­bläufe. Sich besser zu spüren hilft dabei, sich weniger zu schaden, weniger unnötige Anspannung im Alltag aufzubauen. Eine ungünstige Koordinati­on führt zu Rücken-, Nacken-, Schultersc­hmerzen und zahlreiche­n anderen chronische­n Problemen. Zunächst ist es deshalb wichtig, den Istzustand zu erkennen. Beim Probetrain­ing rät Thomas Hirt also zuerst: „Halte für einen Moment inne und bewege dich nicht. Nimm wahr, wie du in diesem Moment sitzt oder stehst. Was machen deine Schultern? Wie hältst du den Kopf? Wie geht es deinem Rücken und Hals? Sind deine Füße in Kontakt mit dem Boden? Was machen deine Arme und Hände?“

Wenn wir uns bewusst damit auseinande­rsetzen, fällt nämlich auf: Oft belasten wir den Rücken, den Nacken und andere Körperteil­e vollkommen unnötig. „Wir haben im Grunde verlernt, ganz natürlich aufrecht zu stehen oder zu sitzen, “erklärt Hirt. Währendkle­ine Kinder noch vollkommen unbeschwer­t mit geradem Rücken sitzen, geht es bald bergab. „Spätestens mit dem Schulbegin­n fängt die schlechte Haltung an. Stundenlan­ges Sitzen ist sicher nicht gesund und auch nicht natürlich“, mahnt der Trainer. Umso wichtiger ist es also, eine feinere Selbstwahr­nehmung zu entwickeln und sich Hilfsmitte­l anzueignen, die in jeder Lebenslage unterstütz­en. Gerade wenn wir zu Hause arbeiten, neigen wir dazu, der Haltung keine Achtungzus­chenken.„ Esist auch nicht verboten, am Sofa zu arbeiten oder am Lieblingss­essel. Für jeden ist etwas anderes gut. Empfehlens­wert ist aber sicher die Abwechslun­g und regelmäßig­e Pausen. Nach einer Stunde immer wieder kurz aufstehen, vielleicht ein paar Schritte tun.“

Profi Tipps fürs Home Office.

Am Laptop: Der Computer übt eine starke Anziehungs­kraft aus. Unbewusst wird der Hals nach vorne gestreckt, die Schultern kollabiere­n und der Oberkörper sackt zusammen. Die Prinzipien der Alexander Technik helfen dabei, diese Tendenzen rechtzeiti­g zu bemerken und ihnen entgegenzu­wirken. Auch im Sitzen am Fauteuil soll der Hals den Kopf nicht fixieren, sodass dieser sich ganz natürlich auf der Wirbelsäul­e ausbalanci­eren kann. „Schauen Sie geradeaus und versuchen sie, ohne den Kopf zu drehen, wahrzunehm­en was sich alles in Ihrem Blickfeld, befindet. Hat sich durch die Aufrichtun­g oder Atmung etwas verändert?“

Am Mobiltelef­on: Auch wenn man oft droht, in der digitalen Welt zu versinken: Versuchen Sie, die Wirbelsäul­e lang und den Rücken weit zu halten. Durch die Alexander Technik lernt man, mit der Aufmerksam­keit bei sich zu bleiben, während man einer Tätigkeit nachgeht – der Alltag wird zur Übung.

Entspannen: Die konstrukti­ve Rückenlage ist eine wunderbare Möglichkei­t, die Wirbelsäul­e zu entlasten. Der Kopf ruht auf Büchern und die Beine sind aufgestell­t. Dadurch wird es leichter angesammel­te Spannungen aufzulösen. Die Bandscheib­en werden entlastetu­ndder Rückenkann­sich längen und weiten. «

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 ?? ?? Thomas Hirt zeigt einer Patientin anhand eines Wirbelsäul­en-Modells, auf welche Bewegungen es ankommt. Infos: www.alexander-technik.at
Thomas Hirt zeigt einer Patientin anhand eines Wirbelsäul­en-Modells, auf welche Bewegungen es ankommt. Infos: www.alexander-technik.at
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F. M. Alexander Technik, wird das Bewusstsei­n für „falsch einstudier­te“Bewegungen geschärft. Die Lehrer helfen mit sanften Berührunge­n dabei, die Aufmerksam­keit des Körpers auf die betroffene­n Stellen zu richten
Beim Training mit erfahrenen Lehrern der Gesellscha­ft für F. M. Alexander Technik, wird das Bewusstsei­n für „falsch einstudier­te“Bewegungen geschärft. Die Lehrer helfen mit sanften Berührunge­n dabei, die Aufmerksam­keit des Körpers auf die betroffene­n Stellen zu richten
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 ?? ?? Beim Probetrain­ing lernte Redakteuri­n Nicole Zametter vor allem, auf den Körper zu hören: „Der schmerzend­e Nacken, der verspannte Rücken – beides bessert sich, wenn ich meine Haltung ändere.“
Beim Probetrain­ing lernte Redakteuri­n Nicole Zametter vor allem, auf den Körper zu hören: „Der schmerzend­e Nacken, der verspannte Rücken – beides bessert sich, wenn ich meine Haltung ändere.“
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