Ein Jahr Giorgia Meloni: Große Worte, wenig Resultate
Italien. Die Regierungschefin wollte die Migration einbremsen – erfolglos
„Was Giorgia Meloni nicht gemacht hat“, titelte gestern die regierungsnahe Tageszeitung il Giornale: „Die Finanzmärkte sind nicht eingebrochen, der Faschismus ist nicht nach Italien zurückgekehrt, dafür ist Italien jetzt wieder ein aktiver Teilnehmer am internationalen politischen Diskurs.“
Es war der 25. September vor einem Jahr, als die Italiener bei den Parlamentswahlen die von Meloni geführte rechte Fratelli d‘Italia mit rund 26 Prozent zur stärksten politischen Kraft wählten. Ein Ergebnis, das Brüssel und einigen ausländischen Kanzleien Sorgen bereitete. Vieles wurde von der Regierungskoalition – der auch die rechtsnationale Lega von Matteo Salvini und die Partei des kürzlich verstorbenen Silvio Berlusconi Forza Italia angehören – versprochen, wenig gehalten.
Angefangen beim Migrationsthema. Noch während des Wahlkampfes hatte Meloni Brüssel gewarnt, man werde alles unternehmen um die Ankunft der Migranten auf Italiens Küsten zu stoppen, wenn nötig auch mit einer Seeblockade.
Nichts dergleichen ist geschehen, dafür sind aber so viele Migranten wie seit Jahren nicht mehr angekommen. Das scheint aber Meloni noch nicht wirklich zu schaden. Den letzten Erhebungen des Instituts TecnèDire zufolge haben weiterhin 47,3 Prozent der Befragten Vertrauen in die Regierungschefin Vertrauen.
Dass Meloni weiter mit einem gewissen Konsens rechnen kann, hat nicht so sehr mit Maßnahmen zu tun, die in diesem Jahr verabschiedet wurden – dazu zählen die Abschaffung des Bürgergelds, etwas mehr Netto vom Bruttogehalt, wenngleich auch nur bis Jahresende, und die Anpassung der Mindestrente an die Inflation.
Ankündigungen
Stattdessen versteht es Meloni wie kaum ein anderer Politiker aus Ankündigungen politisches Kapital zu schlagen. Am besten sieht man das beim Migrationsthema. Die Bilder von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen mit Meloni in Lampedusa dienen dazu, den Italiener zu zeigen: „Ich mache alles Menschenmögliche. Wenn’s nicht klappt, ist es nicht meine Schuld.“
Eine Strategie, die auch bei anderen Themen angewendet wird. So wurde eine
Extrasteuer für die Übergewinne der Banken beschlossen. Die Europäische Zentralbank warnte jedoch davor, so die Investoren abzuschrecken. Ob die Steuer nun wirklich kommt oder – wie der von Italien geforderte Preisdeckel bei den BilligFlugunternehmen am Ende doch fallen gelassen wir – ist dann nebensächlich. Hauptsache die Ankündigung hat für Wirbel gesorgt.
Die eigentliche Gefahr für Meloni in ihrer Regierungskoalition aber heißt Matteo Salvini. Der Lega-Chef sucht mit Blick auf die EU-Wahlen 2024 einen Zusammenschluss aller Rechten und identitären Parteien im EU-Parlament. Meloni hält sich bedeckt, denn sie weiß, dass der Konsens auch darauf beruht, dass sie Italien bisher davor bewahrt hat, zu einem Paria in der EU zu werden.