Die wahren Abenteuer sind in den Rapid-Köpfen
Liegt die Krise am Mangel mentaler Stabilität? Ein Experte klärt auf
Nach fünf sieglosen Heimspielen in Folge wird es eng für Zoran Barisic. Die RapidSpieler mögen ihren Trainer und werden am Sonntag gegen den LASK (17 Uhr) für ihn laufen. Vielleicht noch den einen oder anderen Schritt mehr als gewohnt, weil ihnen die menschliche Art des Trainers und sein Schutzmantel, den Barisic auch nach dem x-ten verspielten Sieg über seine Kicker legt, zu Herzen geht.
Haben es die Kicker auch im Kopf, um im Hütteldorfer Druckkessel gegen die Linzer die Wende zu schaffen?
An mangelnder Qualität kann es nicht liegen – das betonen alle Verantwortlichen. An dem gegenüber der Vorsaison deutlich verbesserten Spiel auch nicht. Sonst würde der Tabellensechste nicht in allen Statistiken im Spitzenbereich liegen, oder bei den statistisch erwartbaren Punkten („expected points“) sogar mit Salzburg auf Platz eins. Fit ist der Kader ebenso.
Und genug Alternativen von der Bank gibt es nach der Burgstaller-Rückkehr auch – lediglich Kongolo hat sich im Training verletzt.
„Pech ist Unvermögen“
„Die letzte Konsequenz fehlt. Viel Pech ist Unvermögen“, analysiert Markus Katzer. Der Sportdirektor erklärt: „Mich ärgert am meisten, wie viel Selbstvertrauen wir sammeln hätten können, wenn wir den Sack zumachen. Da wäre dann noch so viel Potenzial im Team. Aber jetzt fehlen uns Siege und das Selbstvertrauen.“
Barisic betont immer wieder: „Fußball ist Kopfsache, zu einem großen Teil.“Dass der Kopf regelmäßig trainiert wird, ist dem 53Jährigen aber offenbar nicht wichtig. Anders etwa als Christian Ilzer. Der SturmTrainer hat nach seinem Start 2020 den früheren Skitrainer Mathias Berthold für mehrere Monate als „Teamund Persönlichkeitsentwickler“nach Graz geholt, um das „mentale Leistungsvermögen zu steigern“.
Barisic verweist auf Simon Brandstätter. Die Profis könnten jederzeit zum Sportpsychologen gehen, Zwang soll es dafür nicht geben. Allerdings ist Brandstätter hauptsächlich für den Nachwuchs, bis zu Rapid II, tätig. Eine Vollzeitstelle, die Brandstätter gemeinsam mit einer Kollegin ausfüllt, finanziert Rapid. Die Arbeit – es geht eher um Optimierung mentaler Stärken als um Krisenbekämpfung – kommt laut KURIER-Informationen bei den Talenten sehr gut an.
„Lohnende Investition“
Der ausgebildete Mentalcoach Wolfgang Seidl sagt: „Es ist nicht einfach, dass ein erfahrener Psychologe 40 Stunden für einen Verein da ist.“Seidl selbst betreut viele Einzelsportler, das ist zeitintensiv. „Wenn ein Verein den Trainer wechselt, kann es für den Mentalcoach schnell vorbei sein. Trotzdem wäre eine Vollzeit-Betreuung eine lohnende Investition.“
Seidl erklärt am Beispiel Rapid: „Sie erleben eine Hochschaubahn. Die FanKultur, das volle Stadion, das große Interesse – das macht etwas mit Spielern. Wenn sie nur einen Gedanken an mögliche Konsequenzen beim Scheitern haben, verkrampft das Spiel und die Leistung kann absinken.“Was dagegen zu tun ist? „Mentale Fertigkeiten und der Umgang mit Druck sind trainierbar. Das dauert“, erklärt Seidl. „Aber ich behaupte: Wenn früh genug damit angefangen worden wäre, würde Rapid jetzt stabiler spielen.“