Rückschlag für Mini-Atomkraftwerke
Kernenergie. Bis Ende des Jahrzehnts hätte im US-Bundesstaat Idaho der erste kleine modulare Reaktor entstehen sollen. Das Projekt wurde begraben, in Europa setzt man aber weiterhin auf die Technologie
Kleine modulare Atomreaktoren, auf Englisch „Small Modular Reactors“(SMR), gelten als große Hoffnung, um emissionsfreien Strom zu produzieren. Diese Hoffnung erhielt nun einen Dämpfer. In den USA wurde der erste SMR aufgegeben, noch bevor dessen Bau richtig anlief.
SMRs werden auch als Mini-Atomkraftwerke bezeichnet, weil sie deutlich kleiner sind als herkömmliche Reaktoren und eine elektrische Leistung von wenigen bis maximal 300 Megawatt liefern. Zum Vergleich: Das Akw Zwentendorf sollte ursprünglich 700 Megawatt liefern. Moderne Reaktoren haben eine Leistung von mehr als 1.500 Megawatt.
Günstige Atomenergie
Durch ihre kompakte Bauweise können SMR zentral in einer Fabrik gefertigt und an ihren Bestimmungsort geliefert werden. Eine Fabrik kann somit mehrere kleine Reaktoren bauen, wodurch die Baukosten pro Stück massiv gesenkt werden.
Es gibt bereits mehrere Jungunternehmen, die an der Entwicklung von SMR arbeiten, viele davon befinden sich in den USA. Dort wurde Anfang des Jahres das erste Design eines Mini-Atomkraftwerks von der nuklearen Regulierungsbehörde zugelassen. Die ersten Reaktoren des Unternehmens NuScale Power sollten eigentlich bis 2029 im US-Bundesstaat Idaho gebaut werden. Doch daraus wurde nichts. Immer mehr Partner verloren das Vertrauen in die Wirtschaftlichkeit und zogen ihre Unterstützung zurück. Jetzt zog NuScale Power endgültig den Schlussstrich und verkündete das Ende des Projekts.
Grund des Unmutes unter den Wirtschaftspartnern waren nicht nur Kostenexplosionen bei der Entwicklung der Mini-Atomreaktoren, sondern auch massiver Druck durch günstigen erneuerba55 ren Strom. Die Stromerzeugung durch Sonne, Wasser und Wind wurde in den vergangenen Jahren immer günstiger. Investitionen in die vergleichsweise teure Kernkraft schienen einfach nicht profitabel.
Das Projekt zielte ursprünglich darauf ab, eine Megawattstunde Strom um Dollar (rund 52 Euro) herzustellen, korrigierte die Prognose aber Anfang des Jahres auf 89 Dollar (83 Euro) pro Kilowattstunde. Solarenergie kostet, je nach Sonneneinstrahlung, zwischen 30 und 100 Euro pro Megawattstunde. Windenergie von Anlagen am Land produzieren Energie um 40 bis 80 Euro pro Kilowattstunde.
Laut dem Energieunternehmen Utah Associated Municipal Power Systems, dem Hauptpartner von NuScale Power, scheint es „unwahrscheinlich, dass das Projekt genügend Abnehmer finden wird, um die Einführung fortzusetzen.“NuScale-Chef John Hopkins gab sich in einer Aussendung positiver gestimmt: „Unsere Arbeit in den vergangenen zehn Jahren hat die NuScale-Technologie bis zum Stadium der kommerziellen Nutzung vorangebracht; das Erreichen dieses Meilensteins ist ein enormer Erfolg, auf den wir mit zukünftigen Kunden weiter auf bauen werden.“Ob das Unternehmen künftig aber überhaupt noch Kunden an Land ziehen kann, ist fraglich.
Europa setzt auf SMR
Während in den USA das Projekt für das Mini-Atomkraftwerk gescheitert ist, setzt man in Europa weiterhin auf SMR. Erst im vergangenen Jahr kündigte Tschechien an, dass im Atompark Temelín der erste SMR Europas entstehen soll. Die nötige Technik soll ein Unternehmen aus den USA liefern.
In Großbritannien will man umgerechnet 23 Milliarden Euro in die Entwicklung von Mini-Atomreaktoren investieren. Der Auswahlprozess der Unternehmen soll sechs Jahre dauern. Ein vielversprechender Kandidat ist der Automobilhersteller Rolls-Royce, der seit 2015 an SMR forscht. Das Unternehmen rechnet damit, dass ein SMR „in den frühen 2030erJahren“mit der Stromproduktion beginnen könnte.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2021, das vom deutschen Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in Auftrag gegeben wurde, ist das Sparpotenzial von kleinen modularen Reaktoren aber gering. Je nach Größe bräuchte man zwischen drei und 1.000 Reaktoren, um gleich viel Energie wie ein großes Atomkraftwerk zu erzeugen. Preiseinsparungen beim Bau würden sich erst ergeben, wenn mehrere Tausend SMRs – das BASE spricht von mehr als 3.000 Stück – produziert werden können. Fragen des Transports, des Rückbaus sowie der Zwischen- und Endlagerung von radioaktivem Material bleiben dabei unbeantwortet.
„Es ist unwahrscheinlich, dass das Projekt genügend Abnehmer finden wird, um die Einführung fortzusetzen“Utah Associated Municipal Power Systems