DER SEX UND DIE STERNE
Unersättliche Löwen, abgründige Skorpione oder jungfräulicher Lust-Pragmatismus: Via „Sex-Horoskop“erfahren Erdenbewohner, ob sie das Zeug zur himmlischen Libido-Rakete haben. Das kann man ernst nehmen – oder auch nicht.
Manchmal frage ich mich, welche Menschen ihr Tageshoroskop lesen – und mit welcher Erwartung. Ausschließlich der Authentizität dieser Kolumne wegen habe ich – die wissensdurstige Schützefrau – heute nach meinem Horoskop gegoogelt und las Folgendes: „In Belangen, die dich persönlich ansprechen, bist du heute sehr aktiv. Etwa, indem du eine Kaffeepause auch wirklich einhältst, wenn du diese brauchst.“Sollte sich eine tiefere Weisheit in oder hinter diesen Worten verbergen, schreiben Sie mir bitte ein Mail – mir erschließt sie sich selbst auf den zweiten und dritten Blick nicht. Was eher egal sein wird, insofern die – schlichten – Nullachtfünfzehn-Himmelsbotschaften boomen, vor allem den Sex und die Liebe betreffend: „Diese Sternzeichen harmonieren im Bett am besten.“„So verrückt sind die Cunnilingus-Praktiken der Wassermann-Männer“, „Drei Stellungen, die Löwen mögen“– und so weiter. Ich vermute außerdem, dass die Frage „Und, was ist er vom Sternzeichen?“im Datingund-Kennenlern-Tratsch auf Platz 2 des NeugierdeRankings liegt, gleich nach „Habt ihr schon …?“und vor „Wie war’s?“. Obacht – die Sternzeichen-Offenbarung kann dramatisch verunsichern und den SexFlop quasi herbeireden. Zum Beispiel, wenn das astrologisch halbgebildete Gegenüber wissend raunt: „Jungfrau, also. Ordnungsliebend, aber wahnsinnig fad im Bett, hab’ ich wo gelesen.“Dazu kommt die Sache mit der erotischen Harmonie. Kann der abgründige Skorpion auf Dauer mit der gefühlsbetonten Krebsfrau, die mehr auf Flanell als auf Latex steht und sich noch immer nicht von ihrer Monchhichi-Puppe trennen kann, weil die so viele Erinnerungen birgt? Wird die luftige Zwillingfrau aus der Schlafzimmerhöhle des Löwen fliehen, weil seine Majestät beim Orgasmus so laut brüllt, dass die
Nachbarn denken, sie würde lautstark Pornos schauen? Muss sich der experimentierfreudige Wassermann von der pragmatischen Steinbock-Frau sagen lassen, dass sie lieber im Boxspring-Bett vögelt als im Whirlpool seines Schrebergartens – und das nicht zur Jause, sondern nach 22 Uhr? Sie merken, es ist kompliziert – und wird durch Faktoren wie Aszendent und weiterer erotisch relevanter Planeten wie Venus und Mars noch komplizierter. „Irgendwo gelesen“habe ich dieser Tage auch einen Online-Artikel mit dem Titel „Frauen mit diesen 3 Sternzeichen haben mehr Sex als alle anderen“. Hier nicht draufzuklicken und seinem Wissensdurst zu erliegen, fällt schwer, weil es spannend ist, zu erfahren, ob man in die Kategorie der ultimativen Sexgranaten gehört – oder nicht. Da tun sich mehrere Fragen auf: Was genau ist unter „mehr“Sex zu verstehen? Mehr als einmal täglich, einmal wöchentlich, einmal pro Halbjahr? Und wie viel Sex haben die „anderen“, um einen statistisch soliden Vergleich anzustellen? Da muss man schon sehr viel Logik und Pragmatismus walten lassen, um nicht in die Leistungsfalle zu tappen. Rein aus Recherchegründen weiß ich aber jetzt, dass Jungfrau-, Wassermannund Stierdamen im Sinnlichkeitsranking ganz oben liegen, während Widder oder Krebse „Schlusslichter“sind. Alle, die nun irritiert sind: Machen Sie sich nichts daraus, zumal die Verfasserin des Himmelskörper-Rankings vermerkt, dass „wenig Sex nicht mit einer schwachen Libido zu tun haben muss“. Welch entlastende Erkenntnis, kein Anlass, um akut eine Packung Libidobooster im chinesischen Internet zu ordern. Denn, wer weiß? Vielleicht liegt’s ja nur am blöden Spannungsaspekt zum Himmelskörper namens „Boyfriend“oder „Ehepartner“, der jeden Morgen ruft: Und wo ist jetzt mein beiges Hemd?
„Muss sich der experimentierfreudige Wassermann von der pragmatischen Steinbock-Frau sagen lassen, dass sie lieber im Boxspring-Bett vögelt als im Whirlpool seines Schrebergartens?“