Wahlkampf mit zwei U-Ausschüssen
SPÖ und FPÖ wollen ÖVP und Milliardäre untersuchen, die ÖVP kontert mit einem U-Ausschuss gegen Rot-Blau. Vorsitzender beider U-Ausschüsse: Wolfgang Sobotka
Pandemie, Kriege, Korruptionsvorwürfe und viele Rücktritte: Eine außergewöhnliche Legislaturperiode wie die türkis-grüne konnte ja kaum mit einem faden, konventionellen Wahlkampf enden. Stattdessen nehmen sich Rot-Blau und die ÖVP im Frühjahr in zwei unterschiedlichen Untersuchungsausschüssen gegenseitig in die Mangel. Gesetzlich ist das möglich: Theoretisch können sogar drei U-Ausschüsse parallel stattfinden (siehe Infobox).
Das Problem: Selbst für nur einen U-Ausschuss reicht die Zeit kaum. Bei normalem Fristenlauf starten die Befragungen Ende März oder im April. Drei Monate vor der Nationalratswahl – sie könnte am 29. September 2024 stattfinden – muss der Abschlussbericht vorliegen. Damit sich das ausgeht, sind Befragungen bis Anfang Juni möglich. Somit fällt der zwei- bis dreimonatige Befragungszeitraum in den Intensivwahlkampf zur EU-Wahl, die am 9. Juni stattfindet.
Was soll wichtiger sein als die Europawahl? Zuerst zum rot-blauen Verlangen, das Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) Freitagvormittag präsentierten. Sie wollen im „COFAG-Untersuchungsausschuss“unter anderem ergründen, inwiefern ÖVPnahe Milliardäre von CoronaHilfen profitiert haben könnten. Im Fokus: die Unternehmer Siegfried Wolf und René Benko.
Es gehe um Superreiche, nicht um kleine Betriebe, betont Krainer: „Wir werden uns nicht anschauen, was irgendein Friseur ums Eck oder ein Buchladen für Hilfen bekommen hat.“
Aus Sicht der SPÖ eine Gratwanderung: Während sie eine Koalition mit der FPÖ ausschließt, ist Herbert Kickls Partei nun ihr einziger Verbündeter für den – nach Ibiza- und ÖVPKorruptions-U-Ausschuss – dritten U-Ausschuss infolge, der die ÖVP thematisiert. Die SPÖ soll sich in den vergangenen Wochen stark darum bemüht haben, die Neos an Bord zu holen, um den Eindruck des rot-blauen Bündnisses abzuschwächen.
Die Neos lehnten ab: „Es braucht keinen Dauerwahlkampf in mehreren U-Ausschüssen“, meint ihr stellvertretender Klubchef Nikolaus Scherak. Thematisch glauben die Neos an keinen großen Erkenntnisgewinn, sprechen teils von einem „Eat the Rich“-U-Ausschuss.
Hangers Konter
Eine Viertelstunde nach Krainer und Hafenecker tritt ÖVP-Mandatar Andreas Hanger vor die Medien. „Haben Sie mich schon vermisst?“, fragt er lächelnd. Bereits Anfang Oktober sickerte durch, dass die ÖVP alleine einen U-Ausschuss einsetzen will. Ein eMail landete irrtümlich bei den Neos und sorgte für schlechtes Koalitionsklima. Der Grund: Neben SPÖ und FPÖ wollten die Türkisen auch die Regierungsbeteiligung der Grünen untersuchen.
Im neuen Verlangen fehlen die Grünen, „weil uns die Zusammenarbeit in der Koalition sehr wichtig ist“, sagt Hanger. Das sportliche Vorhaben der ÖVP: Sie will untersuchen, ob rote oder blaue Ministerien zwischen 2007 und 2020 Steuergeld „sachfremd“verwendet haben. Man habe umfangreiche Indizien – Hanger spricht von einem „rot-blauen Sumpf“. Zudem will die ÖVP vice versa durchleuchten, ob SPÖ- oder FPÖ-nahe Personen oder Firmen durch die COFAG bevorzugt worden. Es könne nicht immer nur um die ÖVP gehen, sagt Hanger: „Ja, wir machen diesen Untersuchungsausschuss, weil wir uns zur Wehr setzen.“
Die Verlangen für beide UAusschüsse wurden am Freitag eingebracht. Trotz etlicher Rücktrittsaufforderungen wird ihnen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorsitzen. Er geriet zu Wochenbeginn wegen eines heimlich aufgenommenen Ton-Mitschnittes in Bedrängnis. Der mittlerweile verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek hatte Sobotka in kleiner, privater Runde Interventionsversuche vorgeworfen. Sobotka weist das zurück. Für einen eigenen Sobotka-U-Ausschuss – wie von den Grünen vorgeschlagen – gab es keine Mehrheit.