Putins Schlachten
Heute vor zwei Jahren wurde die
Welt über Nacht eine andere: Die Truppen des Wladimir Putin überfielen die Ukraine mit dem Ziel, das Land in drei Tagen zu unterwerfen und von der Landkarte zu löschen.
Seither sind mehr als 500.000 ukrainische und russische Soldaten gefallen, gut 10.000 Zivilisten in der Ukraine ums Leben gekommen; sind 6,5 Millionen Menschen geflüchtet; ist ein Land zerstört, dessen Wiederaufbau 450 Milliarden Euro kosten wird – wenn er irgendwann beginnt.
Und weil sich in dem Abnützungskrieg zunehmend herausstellt, dass Russland den längeren Atem hat, wird im langsam kriegsmüden Westen die Frage lauter gestellt, wie aus dem sinnlosen Schlachten herauszukommen sei. Auch weil in der Öffentlichkeit das Verständnis für diesen Krieg schwindet. Und zwar mit drei Argumenten:
Bietet Wladimir Putin durch die Blume nicht ohnehin an, zu verhandeln, will gar nicht mehr als nur ein paar Gebiete der Ukraine? Hatte Putin nicht recht, als er von Bedrohung durch die NATO und vom Recht auf das große Russland sprach? Und ist nicht jeder einzelne junge Soldat, der für Putin oder Selenskij stirbt, einer zu viel?
Dummerweise lügt Putin, wenn er den Mund aufmacht. Das hat er vor dem Angriffskrieg getan, als die Truppen längst aufmarschiert waren, er aber Kriegsabsichten leugnete und Gespräche über den Osten der Ukraine und den Rückzug der NATO von den russischen Grenzen forderte.
Und er lügt, wenn er von einer Bedrohung russischen Territoriums durch die NATO und den dekadenten Westen spricht – die NATO hat im Gegensatz zu ihm noch nie einen Eroberungskrieg geführt. Und das Argument, dass die Ukraine einmal russisch war, ließe sich absurd weiterführen: Rom könnte auf die Ausdehnung des Römischen Reiches verweisen, Österreich auf das Territorium der Monarchie, und Deutschland war auch schon einmal größer …
Ja, jeder tote Soldat ist einer zu viel. Aber einem wie Putin, dessen Aggression und dessen Revanchismus nachzugeben hieße, andere verbrecherische Staatenlenker zu ermutigen, es ihm gleichzutun, das Faustrecht des Stärkeren anzuerkennen.
Die Ukraine wird den Krieg wahrscheinlich nicht gewinnen. Aber sie muss Putin Grenzen setzen – mit ihren Unterstützern. Die zivilisierte Welt ist kein Ponyhof, in der im Fall des unerwünschten Falles alles gut ist, wenn man sich wegduckt. Die Welt ist eine, die sich verändert – Weltkrieg, Wiederaufbau, Kalter Krieg, Mauerfall, Demokratisierung des Ostens, islamistischer Terror, jetzt Putin (mitsamt Bildung einer anti-westlichen Achse). Das muss man zur Kenntnis nehmen, darauf muss man reagieren, da darf man sich nicht auseinanderdividieren lassen – zu hoffen, dass Putin alle wieder lieb hat, wenn man ihm ein bisschen von dem gibt, was er will, ist naiv.
Nach zwei Jahren wächst die Sehnsucht nach einem Ende des Ukraine-Krieges. Zu Recht – aber es nützt dem, der ihn begonnen hat