Im virtuellen Wohlfühl-Garten
In „Garden Life“, das in Innsbruck entwickelt wurde, kann man nach einem anstrengenden Tag entspannen und seiner Kreativität beim Pflanzen von Rosen, Tulpen und Narzissen freien Lauf lassen
Der Bus setzt mich vor dem Garten ab. Heute regnet es, deswegen muss ich nicht gießen. Im Herbst regnet es wieder häufiger, nachdem der Sommer sehr heiß war. Im Briefkasten vor dem Gartentor sind Anfragen von Menschen aus dem Dorf. Marcus möchte einen Strauß gelber Jasmin für seine Freundin, daher sollte ich noch ein paar Pflanzen setzen. Erstmal gehe ich aber eine Runde, um zu kontrollieren, dass es keinen Ungezieferbefall gibt und nicht zu viel Unkraut wuchert. Um eine Sonnenblume kreisen die Insekten, also wird sie eingesprüht. Mit der Gartenschere werden schnell ein paar weiße Rosen abgezwickt und zu einem Strauß gebunden, der später auf dem Markt verkauft werden kann.
Das könnte die Beschreibung eines normalen Tages in einer zugegeben sehr entschleunigten Gesellschaft sein. Sie stammt aber aus dem Spiel „Garden Life“des Innsbrucker Entwicklerstudios Stillalive. Mit ihrem „Bus Simulator“haben sich die Österreicher in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Nun nutzen sie diese Erfahrung, um auf den „Cozy Games“-Trend aufzuspringen, der gerade einen Aufschwung erlebt. Diese Wohlfühl-Spiele haben zum Ziel, positive Gefühle auszulösen, ganz ohne Druck und Highscore-Stress.
Blumen für alle
Neben dem völlig freien Spiel gibt es einen Modus mit Erzählungen, der eine gute Einführung ist. In kürzester Zeit legt man blühende Beete, Büsche und Ranken an. Das allein ist nett, wird aber erst durch die regelmäßigen Aufgaben unterhaltsam. Verlangt ein Dorfbewohner einen bestimmten Blumenstrauß, gilt es die Pflanzen in der richtigen Farbe zu setzen und zu sammeln. Für das Abarbeiten der Aufgaben erhält man Belohnungen,
die man in die Erweiterung und das Dekorieren des Gartens stecken kann.
Da das Spiel in Tage unterteilt ist, entwickelt sich automatisch ein Rhythmus. Das führt zum bekannten „Eine Runde noch“-Effekt, durch den man immer länger als geplant hängen bleibt, weil man die eine Aufgabe noch erledigen möchte oder eine neue Pflanze bekommen hat, die man noch wachsen sehen will. Zusätzlich gibt es Jahreszeiten, die leichte Veränderungen mit sich bringen. So muss man im Sommer häufiger gießen und im Herbst Laub sammeln. Obwohl
die Pflanzen auch im Spiel bevorzugte Jahreszeiten haben, in denen sie wachsen, wirkt sich das wenig aus. Setzt man eine Herbstpflanze wie Jasmin schon im Sommer, wächst sie trotzdem und bringt Blüten.
Wachstumsstimulation
Gelungen ist die eigens entwickelte Wachstumssimulation, durch die jede Pflanze individuell gedeiht, was den Garten wild und dynamisch macht. Das Wohlfühl-Konzept zeigt sich optisch durch bunte aber nicht zu grelle Farben im detaillierten Comic-Stil.
Nicht so gelungen ist die Übersichtlichkeit, da man das Inventar aus unerfindlichen
Gründen nicht sortieren kann. So wird viel Zeit mit dem Suchen bestimmter Samen oder Schnittblumen vergeudet.
Auch, dass sich Pflanztische nicht versetzen lassen, wenn sie einmal bestückt wurden, ist unnötig mühsam, wenn man einfach nur schnell umdekorieren möchte. Man muss alle Pflanzen herausnehmen, den Tisch umsetzen und sie danach wieder einpflanzen.
Fazit
„Garden Life“macht auf schöne Art süchtig: Es ist einfach schön, gerade als entspannter Ausklang eines anstrengenden Tages. Auch ohne grünen
Daumen und in einer Stadtwohnung sitzend, gedeiht der virtuelle Garten prächtig.
Wer allerdings eine echte Simulation erwartet, dürfte enttäuscht werden, dafür ist das Spiel zu stark vereinfacht. Simulatoren zeichnen sich normalerweise durch einen hohen Grad an Realismus aus, was sie auch schwierig zu meistern macht. Hier werden aber selbst Pflanzen, die schon braun sind, mit beherztem Gießen wieder gesund gepflegt.
Bei dem fairen Preis von 24,99 Euro für die PC-Version beziehungsweise 39,99 Euro für PS4/PS5 und Xbox Series X/S kann man unbeschwert zugreifen.