Was wir in Zukunft (nicht) essen werden
Die Produzenten von Fleisch aus Zellkulturen hoffen mittelfristig auf Umsätze in Milliardenhöhe. Die Bauern hingegen fürchten um ihre ökonomische Existenz
Der Ökoteufel erscheint in vielerlei Gestalt. Etwa als Besitzer eines SUV oder als Fleischesser. Doch Rettung naht. Fleisch, das im Labor aus Zellkulturen hergestellt wird, soll in Zukunft eine ökologische und tierfreundliche Alternative sein. Allerdings sind beim Laborfleisch noch viele wichtige Fragen ungeklärt.
Ein brisantes Thema ist es allemal. Eine Umfrage im Auftrag des Thinktanks „Good Food Institute Europe“hat diese Woche vor allem bei den Landwirten für Aufregung gesorgt. 63 Prozent haben sich in Österreich für die Zulassung von Laborfleisch ausgesprochen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass keine gesundheitlichen Gefahren drohen.
Angebot und Nachfrage
Das bedeutet nicht, dass eine Mehrheit der Österreicher Laborfleisch kaufen oder essen würde. Es heißt lediglich, dass sie kein Problem damit haben, wenn es im Lebensmittelhandel oder in der Gastronomie angeboten wird.
Doch so schnell wird es nichts werden mit dem Laborfleisch auf den Tellern der Österreicher. Die EU ist nach wie vor eine laborfleischfreie Zone. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Österreich, Frankreich und Italien sind strikt gegen eine Zulassung in der EU. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig warnt bei der Nahrungsmittelproduktion vor einer „blinden Abhängigkeit von internationalen Großkonzernen“. Den Bauern drohen massive Einkommensverluste, wenn der Konsum von Tierfleisch sinkt. Er fordert eine breite Diskussion sowie Transparenz.
In den USA ist man bei der Nahrungsmittelproduktion weniger streng als in Europa. Die beiden US-Startups „Upside Foods“und
„Good Meat“haben im Vorjahr von den amerikanischen Behörden die Erlaubnis erhalten, aus Zellkulturen gezüchtetes Laborfleisch zu verkaufen. „Good Meat“hat bereits 2020 in Singapur mit der Produktion begonnen. Nun könne man „die größte Volkswirtschaft der Welt beliefern“, freut sich „Good Meat“Chef Josh Tetrick.
Wenig Freude haben die Hersteller von Laborfleisch mit der Debatte über mögliche Gesundheitsrisiken, die sich aus der Herstellungsmethode ergeben. Einer Kuh wird Muskelgewebe entnommen. Daraus werden Stammzellen gewonnen, die in einer Nährlösung heranwachsen. Das dafür nötige Wachstumsserum stammt aus dem Blut lebender Föten. Das Muttertier wird geschlachtet, der Fötus stirbt bei der Entnahme. Es gibt derzeit Versuche, ob man das Kälberblut durch Algen ersetzen kann. Die Muskelfasern wachsen im Bioreaktor und werden zu einer Fleischmasse verarbeitet, die etwa für Burger verwendet werden kann.
Die konventionellen Fleischproduzenten berufen sich auf die Weltgesundheitsorganisation WHO und auf eine lange Liste von potenziellen Gefahren. Dazu gehören mikrobiologische Verunreinigungen oder auf eine potenziell krebserregende Wirkung von Molekülen, die für die Zellvermehrung benötigt werden.
Zu wenig Daten
Laut der deutschen Verbraucherzentrale „gibt es keine validen Daten zum Gesundheitswert von In-vitroFleisch“. Es müssten daher vor einer möglichen Zulassung in der EU eine genaue Prüfung durch Studien erfolgen „und zwar unabhängig von Herstellerstudien“.
Ebenso unklar ist die Ökobilanz von Laborfleisch. Es gibt Studien, die von einer deutlichen Reduktion der Treibhausgase ausgehen. Neuere Untersuchungen kommen allerdings zu einem anderen Ergebnis. Ein abschließendes Urteil ist derzeit nicht möglich.
Außerdem ist offen, ob Laborfleisch zum selben Preis oder vielleicht sogar noch billiger als konventionelles Fleisch produziert werden kann. Davon wird der Erfolg in erster Linie abhängen. Der erste Burger mit Laborfleisch wurde bereits 2013 in London zubereitet. In das Projekt wurden 250.000 Dollar investiert. Heute ist es das Ziel der Produzenten die Preisparität mit einem Premium-Huhn im Restaurant zu erreichen.
Entscheidend für den Erfolg ist auch, ob Laborfleisch beim Geschmack mit dem
Fleisch von Tieren mithalten kann. In Singapur gibt es ein Nobel-Restaurant, das schon seit drei Jahren Laborfleisch anbietet. Die Testesser waren laut dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel nicht wirklich beeindruckt: „Da ist noch Luft nach oben.“