Russlands Schattenflotte von Öltankern fährt effektiv ohne Versicherungen
Im Falle einer Ölpest nach einer Havarie würden die betroffenen Staaten neben den Umweltschäden auch auf den Kosten sitzen bleiben
Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen russische Ölexporte hat Moskau eine „Schattenflotte“aufgebaut. Diese Tanker ermöglichen es, russisches Öl deutlich über dem von EU- und G7-Staaten angepeilten „Preisdeckel“von 60 US-Dollar pro Fass (159 Liter) zu verkaufen.
Die Eigentumsverhältnisse der Schiffe werden etwa in verschachtelten Konstruktionen verschleiert, die Flaggen gewechselt und die Ortungssysteme manipuliert oder abgeschaltet.
Laut einem Bericht der Financial Times stellt die russische Schattenflotte aber eine massive Bedrohung für die Umwelt dar. Nicht nur, weil die meisten der Schiffe alt sind, sondern auch, weil sie ohne effektiven Versicherungsschutz unterwegs sind. Denn im Kleingedruckten der Verträge finde sich eine „Sanktionsausschlussklausel“. Betroffene Staaten, etwa an der Ostsee, könnten im Falle einer Ölpest also zum Schaden auch noch auf den
Kosten sitzen bleiben. Da die Tanker am Weg nach Indien auch den Ärmelkanal passieren, sind potenziell aber zum Beispiel auch Großbritannien und Frankreich betroffen.
Zu welchen Preisen russisches Öl gehandelt wird, ist nur bedingt feststellbar, mehrere Beobachter geben derzeit einen Preis von etwa 77
Dollar pro Fass an. Das wäre eine Preisdifferenz von sieben bis acht Euro zur Nordseesorte Brent und von nur etwa drei Dollar zur US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI). Die Preisdifferenz ist seit Einführung des Preisdeckels durch EU und G-7 immer geringer geworden, was darauf hinweist, dass die russischen Umgehungsmechanismen immer besser funktionieren.
Die Preis-Obergrenze sollte umgesetzt werden, indem Versicherungsgesellschaften Sanktionen drohen, wenn sie Tanker versichern, die russisches Öl transportieren, das um mehr als 60 Dollar verkauft wurde. Versicherungen machen nicht nur das Risiko für die Reedereien kalkulierbar, sie sind auch notwendig, um die meisten Häfen anlaufen zu dürfen.
Laut Daten der Analysefirma KPler hatten 140 von 191 russischen Öltankern, die von Dezember bis Februar die Ostsee passiert haben, keine Verträge mit westlichen Versicherungen.
Das Kleingedruckte
Zumindest ein Teil der russischen Tankerflotte hat Verträge mit dem Moskauer Versicherungsunternehmen Ingosstrakh, berichtet die Financial Times mit Verweis auf geleakte Dokumente. Allerdings dürfte dieser Versicherungsschutz in den allermeisten Fällen nicht greifen.
Denn Ingosstrakh ist eine der größten Versicherungen
Russlands, aber auch international tätig. Das Unternehmen ist deswegen um seinen Ruf bemüht und will es vermeiden, selbst sanktioniert zu werden. In einem der Financial Times vorliegenden Vertrag heißt es, man verhalte sich „in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen der USA, des Vereinigten Königreichs und der EU“.
Das soll auch den Preisdeckel für russische Ölexporte betreffen, Zuwiderhandeln von Kunden soll laut einem Sprecher nicht toleriert werden. Das bedeutet, dass die Versicherung im Schadensfall ungültig ist, wenn das russische Öl um mehr als 60 Dollar pro Fass verkauft wurde – und das dürfte in den allermeisten Fällen so sein.