Stempeln, wenn nicht ausg’steckt ist?
Angestellt – arbeitslos – wieder eingestellt. Welche Karrierechancen Kurzzeit-Jobs bieten
Die Laterne leuchtet, das Lokal ist voll. „Ausg’steckt“ist bei einem Wiener Heurigen. Robert H. arbeitet dort im Service, macht seinen Job gern, schätzt die gemütliche Gesellschaft, die regelmäßig für Grünen Veltliner und knusprigen Kümmelbraten einkehrt. In zwei Wochen ist dann wieder Schluss und Robert H. arbeitslos. Denn ausg’steckt hat der Betrieb nur in den ungeraden
Monaten – man wechselt sich ab mit den anderen Winzern in der Straße.
Stempeln in der Pause
Das Servicepersonal wird in dem Zeitraum beim AMS „zwischengeparkt“– so nennt es zumindest die Arbeiterkammer, die Anfang der Woche diese Praxis scharf kritisiert. Üblich ist sie nicht nur in der Gastronomie, sondern auch im Baugewerbe. Gut 200.000 Personen sollen es österreichweit sein, die sich 2023 in instabilen Arbeitsverhältnissen befanden, berechnet die AK. Natürlich schlage sich hier auch die klassische Saisonarbeit zu Buche, in vielen Fällen sind die Zeitintervalle zwischen Kündigung und Wiedereinstellung jedoch wesentlich kürzer, heißt es. Was Arbeitgeber dagegen tun sollten? Auf Qualifizierungsmaßnahmen oder Förderungen setzen, die Effekte von saisonaler Arbeitslosigkeit abfedern sollen, rät die Interessenvertretung unter anderem. Modelle soll es laut AK einige geben, aus denen Arbeitgeber wählen können. Und die Arbeitnehmer? Manche Kollegen von Robert H. wechseln einfach zwischen den Betrieben – sind immer bei dem Heurigen angestellt, der gerade ausgesteckt hat. Doch ist das die einzige Option? Oder gibt es Möglichkeiten, die Pause anderweitig zu nützen und das Berufsleben abwechslungsreicher zu gestalten?
Sonderfall beim AMS
Für das AMS sind KurzzeitArbeitslose wie Robert H. jedenfalls keine Zielgruppe, heißt es auf KURIER-Anfrage.
Zwar würde im arbeitslosen Zeitraum auch Arbeitslosengeld zustehen, aber „die Mühlen mahlen zu langsam“, um binnen vier Wochen auch jemanden zu vermitteln. „Stempeln gehen“oder Umschulungen anzubieten, wie das bei manchen Saisonarbeitern mit längerer Arbeitslosigkeit üblich sei, ist somit nicht nötig, da die Wiedereinstellung binnen drei Monaten erfolgt, so das AMS. Karrierevorschläge, wie die „freie Zeit“, beruflich genutzt werden kann, gibts es jedoch auch nicht. Wars das also?
Ein zweites Standbein
Definitiv nicht, erkennt die Karriereberaterin und HR-Expertin Diana Huber. Sie sagt: „Solche Arbeitsverhältnisse eignen sich sehr gut für ein zweites Standbein, insbesondere in der Selbstständigkeit.“Die genaue Planbarkeit eröffne Möglichkeiten, in sich hineinzuspüren. Man müsse überlegen, welche Fähigkeiten man sich realistisch in einem überschaubaren Zeitraum aneignen könnte. „Es bringt nichts, drei, vier Jahre zu studieren.“Vielleicht ließe sich über das AMS eine Zusatzqualifikation finanzieren. „Ich glaube, die Chancen stehen gut, dass das auch bewilligt wird, bevor man sich regelmäßig arbeitslos meldet.“
Welche Weiterbildungen und Jobs dann wirklich infrage kommen, ist eine individuelle Entscheidung. Kommt man aus dem Gastgewerbe und ist ein kommunikativer Mensch, könnte eine Ausbildung zum Fremdenführer interessant sein. Im kreativen Bereich könnte die Fotografie oder auch eine Gärtnerei locken. Auch Anstellungen auf Events und Messen oder im Kultur- und Medienbereich wären naheliegend. Hier könne man sich an die jeweiligen Organisatoren, meist Agenturen oder Produktionsbüros, wenden. Branchen gibt es somit einige, die dankbar für saisonale oder Kurzzeit-Kräfte sind. „Es gibt unzählige Möglichkeiten, ohne eine mehrjährige Ausbildung machen zu müssen.“
Ob Kurzzeit-Engagements statt Arbeitslosengeld ein lukrativer Weg sind, ist die andere Frage. Unbezahlbar ist jedoch der Erfahrungsschatz, der sich erarbeiten ließe. Diana Huber: „Man hat auf der einen Seite die sichere Einnahmequelle und auf der anderen ein Herzensprojekt.“Und vielleicht sogar ein Business, das sich entwickelt und dem in ein paar Jahren zu Hundert Prozent nachgegangen werden kann.
„Solche Arbeitsverhältnisse eignen sich sehr gut für ein zweites Standbein in der Selbstständigkeit“Diana Huber Karriereberaterin
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