Chinesische Polizisten bald auf Patrouille (nicht nur) in Ungarn
Kritiker befürchten Überwachung und Spionage
Nein, noch patrouillieren keine chinesischen Polizisten in den Straßen Budapests, berichtet ein ungarischer Journalist dem KURIER. Es gebe auch keine Informationen darüber, wann es so weit sein könnte. Doch allein die Ankündigung hat im In- und Ausland für Aufregung gesorgt: Anfang März war eine Vereinbarung zwischen dem ungarischen Innenministerium und dem chinesischen Minister für öffentliche Sicherheit bekannt geworden, laut der chinesische Polizeibeamte ihre ungarischen Kollegen bald in Ungarn unterstützen dürfen.
Die liberale EU-Parlamentsabgeordnete Katalin Cseh warnte: Die chinesischen Polizisten stellten ein „erhebliches Risiko für die Sicherheit der EU dar“. Denn Kritiker befürchten Spionage und eine Überwachung chinesischer Staatsbürger im Land.
Geheime Polizeistationen
Neu sind derartige Mutmaßungen nicht: Ende 2022 veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders Dokumente, die belegen, dass Chinas Regierung mindestens 100 geheime Polizeistationen in mehr als 35 Ländern betreibe – auch in Österreich.
Offiziell heißt es, die Stationen sollen „Auslandschinesen Amtswege erleichtern“. Doch gibt es etliche Berichte von chinesischen Regierungskritikern im Ausland, die in die Stationen gelockt und dort unter Druck gesetzt wurden, nach China zurückzukehren, um sich einem Prozess zu stellen.
In den meisten betroffenen Ländern ist der Standort der Stationen unbekannt, anders in Ungarn: Die Adressen von gleich zwei chinesischen Polizeistationen in Budapest fanden sich in den Dokumenten, obwohl die ungarische Regierung deren Existenz abstreitet.
Entsprechende Kritik an chinesischen Polizisten versucht die ungarische Regierung zu zerstreuen: Ähnliche Vereinbarungen seien nicht neu, „ungarische Polizeibeamte unterstützen ihre kroatischen Kollegen an der kroatischen Küste während der Hauptreisezeit regelmäßig, und österreichische Polizeibeamte waren bereits gemeinsam mit ihren ungarischen Kollegen rund um den Balaton im Einsatz“, heißt es.
Vergangene Woche hat Gergely Gulyás, Leiter des Büros des Premierministers, die offizielle Aufgabe der Polizisten erklärt: der Schutz der vielen chinesischen Touristen, die in Ungarn mittlerweile urlaubten und allgemein die Sicherheit bei großen Veranstaltungen.
Keine Waffen
Gulyás zufolge haben die Polizisten so gut wie keine Handlungsbefugnis. Es soll ihnen nicht gestattet sein, Waffen zu tragen oder Maßnahmen zu ergreifen. Auch sollen sie nicht allein patrouillieren dürfen, sondern nur mit einem ungarischen Beamten gemeinsam. Selbiges gilt auch für österreichische Polizisten, die ins Ausland, etwa nach Ungarn zur Unterstützung des Grenzschutzes, entsendet werden.
Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation im EUParlament, sieht die ungarisch-chinesische Polizei-Kooperation gelassen. Es stimme zwar, „dass China versucht, Ungarn als Einfallstor in die EU zu nutzen“, sagt der grüne Abgeordnete zum KURIER, aber: „Dieses Polizei-Arrangement haben die Ungarn nicht erfunden.“
Tatsächlich patrouillieren chinesische Polizisten bereits seit Jahren in Europa: In Serbien sind chinesische Beamte seit 2019 im Einsatz. Sie begleiten serbische Polizisten im Sommer auf Patrouillen in Städten, die von chinesischen Touristen am häufigsten besucht werden. Auch im EU-Mitgliedsstaat Kroatien sind chinesische Polizisten seit 2018 im Einsatz. Das erste derartige Abkommen mit China hatte im Frühjahr 2018 die italienische Regierung unterzeichnet, nach den Enthüllungen um chinesische Polizeistationen im Dezember 2022 aber wieder gekündigt. In Österreich sei ein Einsatz chinesischer Polizisten auf österreichischem Bundesgebiet vorerst „nicht beabsichtigt“und „aufgrund
der Rechtslage nicht möglich“, heißt es.
Mittlerweile gibt es eine Petition von chinesischen Staatsbürgern, die in der EU leben und sich fürchten, dass chinesische Polizisten von Ungarn aus auch in andere EU-Länder reisen könnten, „um geheime Missionen durchzuführen und willkürlich Dissidenten zu verhaften“.
Das Thema dürften der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping demnächst persönlich besprechen: Xi soll in der zweiten Mai-Woche (neben Paris und Belgrad) Budapest besuchen – mit einer Delegation von rund 400 chinesischen Wirtschaftstreibenden, so Medien.