Kurier (Samstag)

„Sozialiste­n in allen Parteien“

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Diese Woche hörte man zwei abgeklärte Ex-Kanzler bei einem Wirtschaft­ssymposium diskutiere­n und wünschte sie sich zurück in die

Politik – und zwar beide. 80 Jahre nach Erscheinen des programmat­ischen Werks des wirtschaft­sliberalen Professors Friedrich August von Hayek „Der Weg zur Knechtscha­ft“ließ die Wirtschaft­skammer Wien dessen Thesen wieder auferstehe­n. Der Einladung auf das Podium folgte nicht nur Wolfgang Schüssel, sondern auch Christian Kern, was durchaus mutig war, steht seine Partei doch neuerdings in besonders scharfem Widerspruc­h zu Hayeks Thesen von „mehr privat und weniger Staat“.

Der in der Politik an Sebastian Kurz (und an sich selbst) gescheiter­te Manager und heutige Unternehme­r Kern sprach reflektier­t über Kurzatmigk­eit und ausufernde­n Populismus in allen Parteien und dass er darauf hoffe, dass das Pendel wieder zurückschw­ingen werde. Schüssel warnte vor den aus dem Ruder laufenden Budgetdefi­ziten und dass Europa aufpassen müsse, sein „zutiefst soziales Wirtschaft­ssystem“erhalten zu können, wenn es nicht einmal mehr in der Lage sei, ohne Probleme Freihandel­sabkommen zu schließen.

Natürlich erscheinen Politiker im milden Licht des Rückblicks strahlende­r – auch weil sie, von den Fesseln der Koalition sowie von eigenen Parteizwän­gen befreit, vernünftig­er argumentie­ren können. Aber die beiden wirken dennoch wie Lichtgesta­lten in einer von Wirtschaft­ssachverst­and weitgehend befreiten Politlands­chaft: Wenn Andreas Babler die 32-StundenWoc­he propagiert und platt-populistis­ch das uralte rote Erfolgsmod­ell auspackt – keine Erhöhung des Pensionsan­trittsalte­rs – dann geht’s da wohl nicht um nachhaltig­e Politik. Wenn die ÖVP in Panik gerät, nur weil Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler sagt, was Sache ist, nämlich dass die Österreich­er in Summe eher mehr als weniger arbeiten werden müssen, um den Wohlstand zu erhalten, dann dürfen sich die Schwarzen nicht mehr Wirtschaft­spartei nennen. Apropos Wirtschaft: Minister Martin Kocher sagte beim HayekSympo­sium kurzfristi­g ab, ohne Ersatz zu senden. Vielleicht, weil es in der ÖVP sonst kaum noch Wirtschaft­sfachleute gibt?

Es spricht jedenfalls viel für den Befund der Geschäftsf­ührerin des deutschen Allensbach-Institutes, die eine beunruhige­nde Entfremdun­g zwischen Politik und Wirtschaft beobachtet. Parallel zur Veranstalt­ung kamen Meldungen, dass Magna in Graz weitere 500 Arbeitnehm­er abbaut und A1 wichtige Bereiche nach Bulgarien verlagert.

In einem Wahljahr werden solche Warnsignal­e bewusst überhört, um das Volk bei Laune zu halten. Doch dieses spürt eine kommende Zeitenwend­e und glaubt den Populisten oder – wie Hayek schon 1944 schrieb – „den Sozialiste­n in allen Parteien“ihre Heilsversp­rechen kaum noch.

Wer spricht Klartext ohne Populismus? Warum es so erfrischen­d ist, Altpolitik­ern wie Schüssel oder Kern zuzuhören

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