Die FDP bringt sich selbst zu Fall – wieder einmal
Die FDP ist im historischen Umfragetief. Lernfähig ist die Partei dennoch nicht
Es wirkt wie ein Déjà-vu – oder wie mehrere: Umfragewerte von vier bis fünf Prozent, Unruhe vor dem Parteitag. Deswegen schnell ein 12Punkte-Papier, ein Reformplan mit Klassikern wie der Reduktion des Bürgergeldes, keinen neuen Sozialleistungen für drei Jahre und einem Loblied auf die Schuldenbremse.
Die FDP sorgt seit Koalitionsantritt mit stetig sinkenden Beliebtheitswerten für Schlagzeilen. Das Trauma von 2013 kommt hoch, als sie nach Regierungsbeteiligung und ewigem Streit mit der CDU aus dem Bundestag flog. Wie konnte es jetzt wieder soweit kommen?
Die Wirtschaft rumpelt
Nun ist es so, dass es für das Kernthema der FDP – die Wirtschaft – gerade nicht gut läuft. „Wir können nicht weitermachen wie bisher", sagte Finanzminister und Parteichef Christian Lindner unlängst. Zwar revidierte der grüne Wirtschaftsminister Habeck die Wirtschaftswachstumsprognose für heuer nach oben, von 0,2 auf 0,3 Prozent. Auch die Inflationsrate ging im März auf 2,2 Prozent zurück – so wenig wie zuletzt im Mai 2021. Doch im internationalen Vergleich steht die Bundesrepublik schlecht da, dürfte mit ihrer Wirtschaftsleistung weltweit zu den schwächsten Ländern gehören.
Da hilft auch Lindners Versprechen einer „Wirtschaftswende“ nicht. Zumal das, was er darunter versteht, sich kaum umsetzen lässt: Die FDP ist immer noch der kleinste Partner der Ampel-Koalition. Das Papier richtet sich also viel mehr an die eigene – kleine – Kernklientel.
Doch die reicht nicht für solide Umfragewerte und schon gar nicht für den Bundestag. Und was potenzielle Wähler am meisten abschreckt, davon will die FDP einfach nicht abrücken: die Oppositionshaltung in der eigenen Koalition.
Verhalten mit Methode
Kompromisse als Erfolge zu kommunizieren, schafft die FDP nicht – anders als Grüne oder SPD. Zu oft stellen sich die Liberalen im Nachhinein gegen Vorhaben, die sie mitverhandelt haben – so war es bei Heizungsgesetz, Haushaltsgesetz, Bürgergeld.
Das Verhalten hat Methode, so war es auch unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel und ihrem FDP-Vize Guido Westerwelle. Das leidige Thema zwischen 2009 bis 2013 waren Sozialausgaben und Hartz IV. Nach Regierungssitzungen schrieb Westerwelle Gastbeiträge in Medien, kritisierte Beschlüsse. Der Streit ging soweit, dass die beiden per offenem Brief kommunizierten.
Damals wie heute sind die Wähler wenig erfreut. In einer ZDF-Umfrage machten 29 Prozent der Befragten die Liberalen für die schlechte Regierungsbilanz verantwortlich – 23 Prozent sahen das Problem bei den Grünen, vier bei der SPD.
Trotzdem lässt sich Lindner nicht von seiner Oppositionshaltung abbringen. Mit den anderen Parteien liegt die FDP wegen des Hauszur halts 2025 im Clinch. Die einzelnen Ministerien forderten zu viel, so Lindner; die wiederum kritisieren sein eisernes Festhalten an der Schuldenbremse, obwohl die Bundesrepublik mehr Ausgaben habe als das Budget zur Verfügung stelle.
Beobachter rechnen längst mit ähnlichen Schwierigkeiten wie im Vorjahr, mit einem Budgetloch von 20 bis 30 Milliarden Euro. „Ein Minister spielt König“, kommentierte der Spiegel Lindners Verhalten.
Was anders ist als im Vorjahr: Den Koalitionspartnern Grüne und vor allem SPD um Kanzler Olaf Scholz ist das Tief der FDP relativ egal. Bei den letzten Verhandlungen hatte sich Scholz als ehemaliger, selbst sparsamer Finanzminister auf die Seite der FDP geschlagen. Heute gibt es keine Unterstützungserklärungen mehr – aber auch keinen öffentlichen Streit. Entweder hat man aus der öffentlichen Eskalation im Vorjahr gelernt, oder sie wird erst gar nicht zugelassen. Auf Diskussionen über ein vorzeitiges Ampel-Aus, wie es von einigen Medien oder Oppositionspolitikern beschworen wird, gehen Grüne und SPD gar nicht ein.
Mehr Gesellschaftspolitik
Wie kann sich die FDP retten? Die einen raten, andere Themen zu betonen – gesellschaftspolitische etwa. Beim Thema Corona hatte sie etwa Erfolg: Damals verfolgten die Liberalen einen Kurs, der im Gegensatz
Regierung Merkel wenig staatliche Reglementierung vorsah. Das Ergebnis bei der Wahl 2021: 11,4 Prozent und Regierungsbeteiligung. Ähnlich war es nach Westerwelles Outing, als erster offen schwuler Minister holte er viele Wähler ab.
Jetzt könnte sich die FDP auf die EU-Wahl im Juni stürzen. Sie schickt eine ihrer polarisierendsten Figuren nach Brüssel: Marie-Agnes StrackZimmermann, bekannt für ihre lautstarke Unterstützung der Ukraine. Bei der Wahl müssen die Liberalen punkten. Denn bei den ostdeutschen Landtagswahlen im September dürfte die Partei sehr wahrscheinlich den Einzug in die Parlamente verpassen.
„Der Unterschied ist: Die Lage unseres Landes ist so, dass wir nicht weitermachen können wie bisher“
Christian Lindner FPD-Chef und Finanzminister