Nicht einmal Geld funktioniert
In den USA kommen so wenige Kinder wie noch nie auf die Welt, so wie fast überall in der westlichen Welt. Rezepte für einen neuen Babyboom gibt es nicht wirklich
In Taiwan haben sie es sogar mit staatlichen Singlebörsen probiert. Kennenlernen, Kinderkriegen, das wäre der Plan der Politik gewesen, aufgegangen ist er nicht. Keines der Paare, die sich seit 2019 bei den Veranstaltungen trafen, hat bisher geheiratet. Und Kinder bekam sowieso niemand.
Taiwan hat mit einer sinkenden Geburtenrate zu kämpfen, wie viele Staaten weltweit. Nur 0,87 Kinder bekommt eine Frau dort durchschnittlich, weniger sind es nur in Südkorea. Ein Trend, den jetzt auch die USA spüren: Dort ist die Zahl zwar mit 1,62 Kindern pro Frau doppelt so hoch wie in Taiwan, für die Amerikaner ist es aber ein historischer Tiefststand.
Europa kennt solche Zahlen schon länger. Österreich lag zuletzt bei einer Rate von 1,41, nur knapp über dem historischen Tiefstwert von 1,3 aus dem Jahr 2001. Und selbst Frankreich, wo DreiKind-Familien lange die Regel waren, liegt nur mehr bei 1,8 Kindern pro Frau. Die westlichen Gesellschaften schrumpfen und schrumpfen: Eine Geburtenrate von 2,1 wäre nötig, um die Bevölkerungszahl zu halten.
Fehlende Arbeitskräfte
Die Politik stürzt das schon länger in Nöte. Fehlender Nachwuchs verschärft den Arbeitskräftemangel, der vielerorts schon jetzt für Probleme sorgt. Dazu kommt die Sozialstaatsproblematik: Immer weniger Junge müssen Pensionen und Pflege der Älteren finanzieren – eine Herkulesaufgabe, die finanziell kaum zu stemmen ist.
Dazu kommt, dass die meisten Rezepte gegen sinkende Geburtenraten bisher nicht aufgehen. In Russland etwa hat Putin Familien mit zwei und mehr Kindern 6.700-Euro-Geldgeschenke gemacht, das sind fast zehn Monatsgehälter. Dennoch stagniert die Geburtenrate bei nur 1,5 Kindern pro Frau. In Ungarn bekommen Familien einen 25.000-Euro-Kredit, der ab dem dritten Kind nicht mehr zurückgezahlt werden muss. Die Rate fiel nach einem minimalen Anstieg wieder auf 1,56.
Ein „Geheimrezept“scheint es also nicht zu geben, sagt auch die Wissenschaft. „Selbst die reichsten, klügsten und engagiertesten Regierungen tun sich schwer, die Fertilität nachhaltig zu steigern“, schreibt Trent MacNamara von der Texas A&M University, im Atlantic.
Das liegt daran, dass die Gründe für den fehlenden Nachwuchs oft sehr divers sind. Global zu beobachten ist, dass Frauen immer besser gebildet sind, deshalb auch später Kinder bekommen – und darum auch weniger, schließlich sinkt die Fruchtbarkeit mit dem Alter. Dazu kommt die Kostenfrage: In vielen Ländern frisst Kinderbetreuung einen Gutteil der Gehälter, und Familienunterstützung gibt es wegen zunehmender Mobilität immer weniger.
Einige Faktoren kann man durchaus festmachen, nur lassen die sich nicht immer beeinflussen. In den USA begann die Geburtenrate 2008 zu sinken, also mit Beginn der Wirtschaftskrise. Jetzt gibt es wieder einen deutlichen Knick, und das hat laut Experten wieder mit der herrschenden wirtschaftlichen Unsicherheit zu tun. Umgekehrt beobachtet hat man das in Zeiten des Aufschwungs – sinkt die Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt, steigt die Fruchtbarkeitsrate danach leicht an.
Messbare Effekte haben auch Maßnahmen wie verlängerter Elternurlaub, Kindergeld und subventionierte Kinderbetreuung. Aber die Wirkung ist auch hier begrenzt: Kommt es zu großen wirtschaftlichen Unsicherheiten, sind derartige Schritte fast ergebnislos. In Finnland etwa sank die Geburtenrate zuletzt auf ein Allzeittief.
Ideologie-Debatte
Greifen keine herkömmlichen Methoden, hält sich die Politik meist an andere Mittel, gern auch an demagogische. In den USA hat die historisch niedrige Geburtenrate etwa die Abtreibungsdebatte befeuert.
Mike Johnson, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, machte kürzlich Frauen, die abtreiben, ganz unverhohlen mitverantwortlich für die Wirtschaftskrise: „Hätten wir all diese fähigen Arbeitskräfte in der Wirtschaft, würden wir nicht so dahinstolpern.“