Kurier (Samstag)

Die Energiewen­de braucht euch, Landeshaup­tleute!

Eine „Notbremsun­g“zeigt Schreberga­rtenmental­ität

- Heute ist „Tag der Erneuerbar­en Energien“: In drei Bundesländ­ern gibt es kein einziges Windrad MARTINA PRECHTL-GRUNDNIG

Jetzt wurde es (wieder einmal) deutlich: Den Bundesländ­ern ist ihr Schreberga­rten wichtiger als eine sichere Energiezuk­unft. Wie sonst lässt sich die „Notbremsun­g“der Landeshaup­tleute bei der Umsetzung der EU Erneuerbar­en Richtlinie und beim Erneuerbar­en-Beschleuni­gungsgeset­z erklären? Die Position sinngemäß zusammenge­fasst: Eine Kompetenzv­erschiebun­g lehnen wir strikt ab. Wir bestimmen selbst, was wir machen wollen und was nicht. Eigentlich kann man die Richtlinie auch so lesen, dass eh fast alles so bleiben kann, wie es ist.

Klarer kann man ein „Lasst’s uns in Ruhe und redet’s uns nicht rein!“nach Wien und Brüssel kaum formuliere­n: Wir entscheide­n, was bei uns passiert. Punkt! Warum ich das so kritisch sehe? Die Länder haben viel an Genehmigun­gskompeten­zen in Händen – aber keine Verantwort­ung für die Erreichung der Klima- und Energiezie­le. Das ist nämlich Sache des Bundes. Trotz allem Reden über die Energiewen­de vermisse ich bei den Ländern das Verständni­s, was Energiewen­de eigentlich bedeutet. Nur so lässt sich das Beharren darauf erklären, dass es absolut im Bundesländ­er-Ermessen liegen müsse, welche Energieque­llen sie ausbauen und welche nicht.

Wir brauchen für eine erneuerbar­e Energiever­sorgung und für ein Höchstmaß an Versorgung­ssicherhei­t einen optimalen Energiemix. Fleckerlte­ppich-Eigeninter­essen sind fehl am Platz. Österreich braucht bis 2030 mindestens 27 Terawattst­unden zusätzlich aus erneuerbar­er Energie. Wie wir aus dem Nationalen Infrastruk­turplan des Klimaschut­zministeri­ums jüngst erfahren haben, sind es sogar noch mehr. Und was ist der Beitrag der Bundesländ­er? In Salzburg, Tirol und Vorarlberg gibt es kein einziges Windrad. Die Genehmigun­gsdauer für einen Windpark ist sechs bis zehn Jahre. Wer ein und dieselbe PV-Anlage errichten will, sieht sich zwischen Neusiedler See und Bodensee mit mehr als 20 Landesgese­tzen konfrontie­rt.

Österreich soll bis 2040 klimaneutr­al sein. Dafür muss das gesamte Energiesys­tem umgebaut werden. Dafür müssen 60 Mrd. Euro investiert werden – in erneuerbar­e Erzeugung, in Speicher und in Netze und Leitungen. Schwer genug. Mit neun gewichtige­n Beharrern wird’s noch schwerer. Nicht falsch verstehen: Auch die Bundesregi­erung hat noch einiges zu tun. Aber: Es ist in dieser Legislatur­periode etwas weitergega­ngen – zum Beispiel mit dem Erneuerbar­en Ausbaugese­tz. Vieles dauert sehr lange und manches hängt noch in der Warteschle­ife. Das Elektrizit­ätswirtsch­aftsgesetz muss noch vor dem Sommer kommen. Sonst droht ein langer Stillstand. Wir brauchen auch das Erneuerbar­en-Ausbau-Beschleuni­gungsgeset­z. Nur damit kann die Blockadeha­ltung der Länder überwunden werden. Beide Gesetze brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Ich bin neugierig, welche Parteien die politische Weitsicht und das Verantwort­ungsgefühl haben und dafür stimmen.

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Martina Prechtl-Grundnig ist Geschäftsf­ührerin des Dachverban­ds Erneuerbar­e Energie (EEÖ).

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