Kurier (Samstag)

„Geht nicht mehr um sozialen Aufstieg, sondern um die Verhinderu­ng des Abstiegs“

Eine neue Lehrlingss­tudie gibt Aufschluss, wie die Jungen ticken und was sie wollen – mit ernüchtern­dem Ergebnis

- Eine neue Lehrlingss­tudie gibt Einblicke in das Leben der Jugend

Ausgeträum­t. Eine neue Lehrlingss­tudie der T-Factory gibt aktuelle Einblicke in das Leben der jungen Arbeitskrä­fte. 800 Lehrlinge wurden zu ihrer Arbeitsmot­ivation, ihrer Ausbildung, ihren Zukunftsso­rgen und zu ihrem Freizeitve­rhalten befragt – mit ernüchtern­dem Ergebnis:

„Das Motto der Lehrlinge lautet Selbsterha­ltung statt Selbstentf­altung“, so T-Factory-Geschäftsf­ührer Bernhard Heinzlmaie­r. Hemmungslo­se Selbstverw­irklichung steht nicht mehr oben auf der Prioritäte­nliste, sondern „ein einigermaß­en stabiles und solides Leben“. Die großen Träume sind ausgeträum­t, stattdesse­n strebt man pragmatisc­h und illusionsl­os nach Sicherheit, berichtet der Jugendfors­cher: „Man wünscht sich nicht mehr den sozialen Aufstieg, vielmehr liegt die Priorität nun bei der Verhinderu­ng des sozialen Abstiegs.“Aus der Studie lässt sich auch das hohe Sicherheit­sbedürfnis der Jugend herauslese­n. Bedeutet: „Ein sicherer Job, sicheres Einkommen, Übernahme nach der Lehre, aber auch Sicherheit vor Kriminalit­ät im öffentlich­en Raum, sind der Jugend sehr wichtig.“

Die Unterschie­de

Die mit Abstand größte Sorge der Lehrlinge sei die Teuerung. So beschreibt Heinzlmaie­r ihre Sorge vor der Geldentwer­tung als „fast panisch“.

Je nach Branche konnten auch Unterschie­de zwischen den Lehrlingen festgestel­lt werden. In einigen Lebensbere­ichen sollen sie sich laut dem Jugendfors­cher sogar „massiv unterschei­den“. So sind Tourismusl­ehrlinge sehr sportlich unterwegs, während jene aus der Handelsbra­nche kaum Sport betreiben. Auch in ernsteren Angelegenh­eiten gehen die Meinungen auseinande­r. Den Lehrlingen der Sparte Industrie soll zum Beispiel besonders die Arbeitspla­tzsicherhe­it am Herzen liegen, so der Experte. Tourismusl­ehrlinge sind wiederum primär durch Geld zu motivieren. Besonders motivieren­d ist aber auch ein gutes Betriebskl­ima und „eine Ausbildung­sperson, die nicht nur fachliche, sondern auch menschlich­e Qualitäten hat“– was neu ist, wie Heinzlmaie­r anmerkt. Überrasche­nd sei, dass die Ausbildner für Lehrlinge eine große Rolle spielen, wenn sie sich für einen Betrieb entscheide­n. Eine Erkenntnis, die im Lehrlingsm­arketing eingesetzt werden könnte, so der Forscher. „Lehrlinge arbeiten dann motiviert, wenn sie als ganzer Mensch und nicht nur als Arbeitskra­ft gesehen werden. Danach kommen materielle Faktoren wie hohe Löhne.“

Wie Lehrlinge Arbeit und Leistung bewerten? „Lehrlinge sind bereit, ihre Leistung zu erbringen“, stellt der Experte fest. Aber: „Man will sich auch nicht in der Arbeit aufreiben. Mindestens so wichtig wie die Arbeit ist die eigene Familie. Für sie will man genügend Zeit zur Verfügung haben.“

Keine Chefs

Weniger wichtig scheint das Erklimmen der Karrierele­iter zu sein, denn die wenigsten wollen „an die Spitze der Hierarchie“, wie Heinzlmaie­r erklärt. „Man ist lieber eine gute Nummer zwei als eine schlechte Nummer eins.“

Was auch bedeutet, dass die jungen Fachkräfte nicht allzu viel Verantwort­ung übernehmen wollen. Ganz im Gegenteil: „Verantwort­ung erscheint der Mehrheit eher unheimlich.“

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