Café Kralicek
Über ein legendäres Café und seine ungleichen Kellner
Herr Peter. Das Café Salzgries in der MarcAurel-Straße hatte buchstäblich zwei Gesichter. Das eine war das von Herrn Peter, das andere jenes von Herrn Michael. Die beiden Kellner waren wie Tag und Nacht. Herr Peter hatte untertags Dienst, und es war ein großer Spaß, von ihm bedient zu werden. Der Mann hatte einen guten Schmäh und ging ungeheuer kreativ mit Sprache um. Wenn man bei Herrn Peter nach Salz und Pfeffer fragte, brachte er die „Gewürzschaukel“oder die „Mineraliensammlung“; wollte man die Rechnung, musste man „Gas und Strom“verlangen.
Ein Stammgast, die Autorin Andrea Maria Dusl, prägte für Herrn Peters Wortkreationen den Begriff „Salzgriesisch“. In ihrem Standardwerk „So geht Wien“(Metroverlag 2016) hielt Dusl einige der von Herrn Peter geprägten Begriffe fest: die „Hopfenkaltschale“(Seidel) und den „Gießhübl“(Spritzer), das „Astl“(Achtel Zweigelt) und den „Kinderfernet“(Cola), den „Fleischtee“(Rindsuppe) und die „heiße Wiese“(Spinat).
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Herr Michael. Abends hatte stets der grimmige Herr Michael Dienst, und der verstand keinen Spaß. Herr Michael interpretierte die Rolle des Kellners als Respektsperson. Er erledigte seinen Job höflich und professionell, ließ aber immer mitschwingen, dass man ihm lieber nicht deppert kommen soll. Manchmal versuchten Stammgäste aus der Herr-Peter-Fraktion, Herrn Michael aus der Reserve lockten, indem sie eine Hopfenkaltschale oder dergleichen bestellten. Er tat dann so, als verstünde er kein Wort. Aber auch Herr Michael hatte eine Entertainer-Seite: Er konnte zaubern. Wenn er einmal – was nicht allzu oft der Fall war – sehr gut gelaunt war, zeigte er den Gästen spätabends ein paar Tricks.
Es ist ziemlich genau 20 Jahre her, dass das Café Salzgries zugesperrt hat. Herr Michael war danach im Engländer engagiert, Herr Peter in einem Billardcafé vis-àvis vom Salzgries. Danach verliert sich die Spur der ungleichen Kellner.