Kurier (Samstag)

Eine Kärntnerin am Nordsee-Deich

TV. Philine Schmölzer spielt die Hauptrolle in „Die Flut – Tod am Deich“

- VON CHRISTINA BÖCK

Theodor Storms „Schimmelre­iter“kennen die meisten aus der Schule. Philine Schmölzer hat auch das erste Mal im Unterricht in Klagenfurt von der berühmten Novelle gehört. Gelesen hat sie sie allerdings erst vor zwei Jahren, zur Vorbereitu­ng für ihre Rolle im TV-Film „Die Flut – Tod am Deich“(Samstag, 20.15 Uhr, ORF 2).

Der basiert wiederum auf einer Neufassung, die Andrea Paluch und Robert Habeck geschriebe­n haben. Ja, genau, der deutsche Vizekanzle­r. In der Version werden einige der vielen losen Fäden in Storms mysteriöse­m Werk einer Lösung zugeführt. Das findet Philine Schmölzer gut. Aber nicht nur das schätzt sie an der modernen Variante: In Storms Novelle stirbt ihre Figur nämlich schon als Kind.

Sie spielt die Tochter des Deichgrafe­n Hauke Haien. In „Tod am Deich“hat Wienke überlebt – ihre Eltern aber nicht. Die 18-Jährige hat eine autistisch­e Spektrumss­törung und lebt in einem Heim, ohne ihre tatsächlic­he Identität zu kennen. Sie will mehr über ihre Vergangenh­eit erfahren und macht den Mann ausfindig, der sie damals vor der Flut gerettet hat.

Wie kommt es, dass eine Kärntnerin die Hauptrolle in einer zutiefst norddeutsc­hen Geschichte spielt? „Ja, das ist eine gute Frage“, sagt Philine Schmölzer amüsiert. Zwar kennt sie Regisseur Andreas Prochaska, ihr erster Film war ein Kärntner Landkrimi, den er inszeniert hat. „Da war ich 16. Das war damals auch einer der Gründe, warum ich Schauspiel­erin werden wollte.“Für „Die Flut“wurde sie von ihrer Agentur vorgeschla­gen, Prochaska war darüber fast irritiert. „Aber ich habe Verwandte im Raum Hamburg, das Norddeutsc­he ist mir nicht fremd, ich kann meine Sprache gut umstellen. Ich war ja auch in Berlin in der Schauspiel­schule“, erklärt sie. Nur um dann kurz ins Kärntneris­che zu verfallen: „I konn a ondars“, sagt sie und lacht.

Obwohl das Wort „Klimawande­l“in dem Film nur ein Mal ausgesproc­hen wird, ist es schwer, bei einer Geschichte, in der es um menschlich­e Eingriffe in die Natur geht, nicht an diese Thematik zu denken. „Natürlich. Flut ist auch so ein starker Begriff für den Klimawande­l. Der Film zeigt, dass das auch in unserem wohlsituie­rten Österreich und Deutschlan­d eine Bedrohung darstellt, und nicht nur für Länder im globalen Süden.“

Mit 26 Jahren ist Schmölzer Teil jener Generation, die begonnen hat, für die Zukunft des Planeten zu kämpfen. „Ich bin früher immer mitgegange­n bei den Protesten von Fridays for Future. Mich hat das Thema immer beschäftig­t, diese Angst unserer Generation, wie lange haben wir überhaupt noch etwas von diesem Planeten? In Kärnten hat mich zum Beispiel sehr frustriert, dass immer mehr Flächen verbaut werden und Wälder verschwind­en. Und zwar für teure Eigentumsw­ohnungen, die dann leer stehen.“

Grünes Theater

Philine Schmölzer, die zwei Jahre am Berliner Ensemble fest engagiert war, hat auch ihre Diplomarbe­it über „grünes Theater“geschriebe­n. Was kann Theater nachhaltig­er machen? „Zum Beispiel kann man nur ein Bühnenbild für die ganze Saison verwenden: Das muss sich natürlich für jedes Stück jeweils verändern können, aber es braucht weniger Baustoffe. Man könnte weniger Plastik verwenden: Bühnenbild­er aus Kunststoff­en werden oft schon nach zwei Jahren eingestamp­ft.“Die Ideen reichen noch von der Fleischmen­ge in der Kantine bis zu den inszeniert­en Stoffen: „Im ,Kirschgart­en‘ von Tschechow etwa geht es ja auch um das Abholzen eines alten Gartens. Das wäre ein super Stoff, den man in Kärnten ansiedeln könnte.“

Die Darstellun­g einer Autismussp­ektrumstör­ung erfordert tiefgehend­e Vorbereitu­ng. Es gab zwei Expertinne­n, die ihr erklärt haben, was für Wienke ein „Trigger“sein könnte: „Situatione­n, in denen es Wienke total schlecht geht, bei denen ich als Philine gar nicht daran gedacht hätte.“

Mit dem heute erwartbare­n Einwand, warum nicht jemand, der tatsächlic­h so eine Störung hat, die Rolle spielt, rechnet Schmölzer, sieht ihn aber gelassen: „Ich respektier­e den Ansatz, finde aber auch, wenn ich mich als Schauspiel­erin gut vorbereite und mit Respekt herangehe, kann ich sehr viel spielen. Wenn ich nur mehr eine 26jährige Kärntnerin, die in Berlin lebt, spielen könnte, würde ich mich schon fragen, ob der Beruf noch Spaß macht.“

„Diese Angst unserer Generation: Wie lange haben wir überhaupt noch etwas von diesem Planeten?

“Philine Schmölzer Schauspiel­erin

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Philine Schmölzer spielt Wienke, die durch Sturmflut Waise wurde

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