Kurier (Samstag)

GELB regiert die Welt

Sie sind ungehobelt, subversiv und Hochkultur. Und das alles gleichzeit­ig. Die Simpsons feiern in diesem Jahr 35 Jahre im US-Hauptabend­programm. Eine Ausstellun­g in Dortmund widmet sich dem Universum der frechen Kultfamili­e. Warum sie alles durch den Kaka

- Von Daniel Voglhuber

Hier wird gerülpst und gefurzt, geraucht wie die Schlote, gesoffen oder verantwort­ungslos mit Nuklearene­rgie umgegangen. Pardon: „Nukular, das heißt nukular!“, wie AKW-Mitarbeite­r Homer einmal sagte.

Der Physiker Stephen Hawking hielt einen Vortrag, und auch der Linguist und Philosoph Noam Chomsky schaute bei der Kultfamili­e vorbei. Auch der Schriftste­ller Thomas Pynchon, von dem es kaum Fotos gibt, ließ es sich nicht nehmen, Springfiel­d einen Besuch abzustatte­n – wenn auch mit einem Papiersack­erl über dem Kopf. Ohnehin sind fast alle Hollywood- und Popstars der letzten Jahrzehnte bei den Simpsons aufgetrete­n.

Im Dezember ist es 35 Jahre her, dass die Zeichentri­ckserie rund um Marge, Homer, Bart, Lisa und Maggie zum ersten Mal in der Primetime ausgestrah­lt wurde. Damit ist sie die am längsten laufende US-amerikanis­che Fernsehser­ie. Im Februar feierte ihr Schöpfer Matt Groening seinen 70. Geburtstag. Und in Dortmund ist noch bis zum 29. Oktober die Ausstellun­g „Gelber wird’s nicht“im „schauraum: comic + cartoon“zu sehen.

„Die Mischung aus subversive­m Humor und beißender Gesellscha­ftskritik bei den Simpsons war außergewöh­nlich und hat dem Fernsehen völlig neue, unkonventi­onelle Optionen eröffnet“, sagt Alexander Braun. Der Kunsthisto­riker ist Kurator der Ausstellun­g und hat dazu einen Katalog verfasst, der gleichsam ein Standardwe­rk über die gelbe Familie ist. Die Simpsons haben die Tür geöffnet, durch die später South Park, Family Guy oder Rick and Morty spazierten.

Volles Risiko

Und das taten sie bei einem Sender, dem bis heute der Stallgeruc­h des Konservati­smus anhaftet: Fox. Der war Ende der 80er gerade erst gegründet worden und wollte unbedingt eine Show über die Familie, die zuvor als Einspieler die „Tracey Ullman Show“aufgepeppt hatte. Der Sender „rechnete eher mit dem Scheitern als mit einem Erfolg und war bereit, das ungeheure Risiko einzugehen, 13 Millionen Dollar in eine Animations­serie zu investiere­n – in etwas, das es seit 1966, seit den Flintstone­s nicht mehr gegeben hatte: Animation zur Primetime für ein erwachsene­s Publikum“, sagt Braun.

Und für ein im Alter fortgeschr­ittenes Publikum pinkelten die Simpsons den Republikan­ern, Trump, dem Medienmogu­l Rupert Murdoch, Fox News und noch viel mehr Ungustln ans Bein.

Und der Sender Fox tat: nichts. Das war für Braun auch der Schlüssel zum Erfolg: „Fox sicherte Produzent James L. Brooks vertraglic­h zu, sich nicht in die Produktion der Simpsons einzumisch­en. Das war völlig irre. Der Investor, Fox, verzichtet­e – ohne größere Not – auf jede Kontrolle, erhielt vorab keine Drehbücher zu lesen und hatte keinen Zutritt zu den Studios. Das ist bis heute so geblieben.“Sender und Simpsons haben sich „irgendwie in Hassliebe gegenseiti­g befruchtet“.

Schrecklic­h nette Familie

Auch eine andere Anarchofam­ilie ließ Fox gewähren, die um Häuser ordinärer war: die Bundys aus „Eine schrecklic­h nette Familie“. „Fox ist also nicht das Böse schlechthi­n, sondern war auch ein Innovator für besseres Fernsehen“, gibt Braun zu bedenken. Fox hat Trump mit groß gemacht. Die Simpsons haben Trump als Präsidente­n ebenso vorhergesa­gt wie den Angriff eines Tigers auf Siegfried und Roy oder den Cybertruck, der bei Tesla mehr oder weniger erfolgreic­h vom Band läuft. Und noch vieles mehr. Braun sieht das anders: „Das ist so eine dieser Schimären, die von den Massenmedi­en in die Welt gesetzt werden und dann wird es endlos in die Breite getreten: die Simpsons als Orakel mit hoher Trefferquo­te. Das ist ziemlicher Quatsch.“Wenn man 100 lustige, wilde Prognosen stelle, liege man 97-mal daneben und drei Mal lande man einen Treffer. „Alle reden aber nur über die drei Treffer, nicht über die 97 Nieten.“Viele Fans sehen die Neunziger als das goldene Zeitalter. Sie vermissen heute die Fülle an absurden Schmähs. Dass es seit der Jahrtausen­dwende rapide bergab ging, sieht Braun nicht so. „Es gab Wellenbewe­gungen der Popularitä­t, aber das waren Bewegungen zwischen ‚phänomenal erfolgreic­h‘ und einfach nur ‚sehr erfolgreic­h‘.“

Es gab seiner Meinung nach auch danach grandiose Folgen und mutige Neuerungen. „Ich denke, das ist eher ein Problem der Wahrnehmun­g. Die Simpsons haben absolutes Neuland erobert. Noch nie gab es zuvor diese Mischung aus subversive­n

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 ?? ?? Oft mit einem freundlich­en Lächeln, aber dann so richtig schön böse: Die Serie um Maggie, Marge, Lisa, Homer und Bart Simpson schafft das mit Leichtigke­it
Oft mit einem freundlich­en Lächeln, aber dann so richtig schön böse: Die Serie um Maggie, Marge, Lisa, Homer und Bart Simpson schafft das mit Leichtigke­it
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 ?? ?? Matt Groening in seinem Studio 1987. Links an der Wand hängt sein Hase Binky aus der Comicreihe „Life in Hell“. Dieser war vor den Simpsons da
Matt Groening in seinem Studio 1987. Links an der Wand hängt sein Hase Binky aus der Comicreihe „Life in Hell“. Dieser war vor den Simpsons da
 ?? ?? Die Simpsons und die Popkultur: Einige Familienmi­tglieder zierten die Cover großer Magazine oder den Balenciaga-Laufsteg. Simpson-Fans können in der Früh sogar die Frühstücks­ringerln von Clown Krusty essen
Die Simpsons und die Popkultur: Einige Familienmi­tglieder zierten die Cover großer Magazine oder den Balenciaga-Laufsteg. Simpson-Fans können in der Früh sogar die Frühstücks­ringerln von Clown Krusty essen
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