Wo bleibt die Selbstverantwortung?
Die Armut steigt – ein besorgniserregender Trend. Es sind Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Scheidung und Krankheit, die Menschen „abstürzen“lassen. Dieses Risiko abzufedern ist Pflicht einer solidarischen Gesellschaft. Aber – auch wenn man für diese Meinung am Social-Media-Scheiterhaufen gegrillt wird: Die zunehmende Zahl an Armen hat nicht nur mit der Teuerung zu tun, sondern sie steigt parallel zum starken Bevölkerungswachstum und ist immer auch eine Definitionsfrage. Wobei logischerweise auch der Zustrom an (Wirtschafts-)Flüchtlingen das Land nicht wohlhabender gemacht hat.
Abgesehen davon leben wir in einer Gesellschaft, in der Selbstverwirklichung groß-, Selbstverantwortung aber immer kleiner geschrieben wird. Die hohe Teilzeitquote lässt sich nicht nur mit fehlender Kinderbetreuung erklären, weil ja sogar jede zweite kinderlose Frau zwischen 45 und
54 Jahren Teilzeit arbeitet. Die ÖVP will Arbeitnehmern nun den Umstieg auf Vollzeit mit einem Bonus von 1.000 Euro schmackhaft machen. (Besser wäre es, die innerhalb der EU mittlerweile dritthöchste Steuer- und Abgabenquote zu senken.) Vollzeitarbeit ist ein Schutz gegen Armut – übrigens auch im Alter. Gerade jetzt, wo überall willige Arbeitskräfte gesucht werden, lässt sich ein Job finden.
Weil viele Eltern versagen, müssten die leider ohnehin heillos überforderten Schulen eigentlich auch „Lebenskunde“lehren, Benehmen und Finanzbasiswissen inklusive.
Denn jenen, die in die Armut rutschen, fehlt oft schon Grundsätzliches: Sie haben keinen Tau von brutto, netto, Umsatz, Gewinn, Pensionsberechnung und Vorsorge. Jeder fünfte Kunde der Schuldnerberatung hat sich aufgrund schlechten Umgangs mit Geld in seine missliche Lage gebracht, bei Erwachsenen unter 30 Jahren ist es sogar ein Drittel. Auch das Abenteuer „Selbstständigkeit“führt oft direkt in die Schuldenfalle.
Abgesehen davon haben die Menschen verlernt, billig und gesund zu kochen, statt sich nur mit Fertigpizza und Energy Drinks bzw. mithilfe von Lieferando zu versorgen. „Keine Zeit“ist da oft eine Ausrede. Wer stundenlang streamt oder im Internet surft, kann daheim Nudeln oder Kartoffeln mit Butter fabrizieren. Einige Supermärkte vergeben zu Billigstpreisen Obst und Gemüse, das nicht mehr hübsch genug ist. Klingt zynisch? Keineswegs. Jeden Tag Fleisch/Wurst zu essen, macht Gesundheitsprobleme. Ein Drittel aller Volksschulkinder ist bereits übergewichtig.
„Essensarmut“ist daher mehr politischer Kampfbegriff, denn Realität. Auch für das Wohnen ist in anderen Ländern ein viel höherer Einkommensanteil aufzubringen. 60 Prozent der Wiener wohnen im geförderten Wohnbau, und bei Bedarf wird Wohnbeihilfe ausbezahlt. Ja, es gibt Armut in Österreich. Das beste Rezept dagegen ist Erwerbsarbeit.
Armut ist auch in Österreich ein Faktum. Vollzeitarbeit und „Lebenskunde“an den Schulen wären die beste Vorbeugung