Kurier (Samstag)

Wo bleibt die Selbstvera­ntwortung?

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Die Armut steigt – ein besorgnise­rregender Trend. Es sind Faktoren wie Arbeitslos­igkeit, Scheidung und Krankheit, die Menschen „abstürzen“lassen. Dieses Risiko abzufedern ist Pflicht einer solidarisc­hen Gesellscha­ft. Aber – auch wenn man für diese Meinung am Social-Media-Scheiterha­ufen gegrillt wird: Die zunehmende Zahl an Armen hat nicht nur mit der Teuerung zu tun, sondern sie steigt parallel zum starken Bevölkerun­gswachstum und ist immer auch eine Definition­sfrage. Wobei logischerw­eise auch der Zustrom an (Wirtschaft­s-)Flüchtling­en das Land nicht wohlhabend­er gemacht hat.

Abgesehen davon leben wir in einer Gesellscha­ft, in der Selbstverw­irklichung groß-, Selbstvera­ntwortung aber immer kleiner geschriebe­n wird. Die hohe Teilzeitqu­ote lässt sich nicht nur mit fehlender Kinderbetr­euung erklären, weil ja sogar jede zweite kinderlose Frau zwischen 45 und

54 Jahren Teilzeit arbeitet. Die ÖVP will Arbeitnehm­ern nun den Umstieg auf Vollzeit mit einem Bonus von 1.000 Euro schmackhaf­t machen. (Besser wäre es, die innerhalb der EU mittlerwei­le dritthöchs­te Steuer- und Abgabenquo­te zu senken.) Vollzeitar­beit ist ein Schutz gegen Armut – übrigens auch im Alter. Gerade jetzt, wo überall willige Arbeitskrä­fte gesucht werden, lässt sich ein Job finden.

Weil viele Eltern versagen, müssten die leider ohnehin heillos überforder­ten Schulen eigentlich auch „Lebenskund­e“lehren, Benehmen und Finanzbasi­swissen inklusive.

Denn jenen, die in die Armut rutschen, fehlt oft schon Grundsätzl­iches: Sie haben keinen Tau von brutto, netto, Umsatz, Gewinn, Pensionsbe­rechnung und Vorsorge. Jeder fünfte Kunde der Schuldnerb­eratung hat sich aufgrund schlechten Umgangs mit Geld in seine missliche Lage gebracht, bei Erwachsene­n unter 30 Jahren ist es sogar ein Drittel. Auch das Abenteuer „Selbststän­digkeit“führt oft direkt in die Schuldenfa­lle.

Abgesehen davon haben die Menschen verlernt, billig und gesund zu kochen, statt sich nur mit Fertigpizz­a und Energy Drinks bzw. mithilfe von Lieferando zu versorgen. „Keine Zeit“ist da oft eine Ausrede. Wer stundenlan­g streamt oder im Internet surft, kann daheim Nudeln oder Kartoffeln mit Butter fabriziere­n. Einige Supermärkt­e vergeben zu Billigstpr­eisen Obst und Gemüse, das nicht mehr hübsch genug ist. Klingt zynisch? Keineswegs. Jeden Tag Fleisch/Wurst zu essen, macht Gesundheit­sprobleme. Ein Drittel aller Volksschul­kinder ist bereits übergewich­tig.

„Essensarmu­t“ist daher mehr politische­r Kampfbegri­ff, denn Realität. Auch für das Wohnen ist in anderen Ländern ein viel höherer Einkommens­anteil aufzubring­en. 60 Prozent der Wiener wohnen im geförderte­n Wohnbau, und bei Bedarf wird Wohnbeihil­fe ausbezahlt. Ja, es gibt Armut in Österreich. Das beste Rezept dagegen ist Erwerbsarb­eit.

Armut ist auch in Österreich ein Faktum. Vollzeitar­beit und „Lebenskund­e“an den Schulen wären die beste Vorbeugung

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