Kurier (Samstag)

Flucht ins Grüne

Lena Schilling. Es gibt neue Vorwürfe gegen die grüne Spitzenkan­didatin bei der EU-Wahl. Bei einem Wahlkampf-Termin am Wienfluss wirkt Schilling davon unbeeindru­ckt

- VON ANNA STROBL UND MICHAEL HAMMERL

Sie habe falsche Gerüchte über Affären, Belästigun­gen oder häusliche Gewalt verbreitet: Die Vorwürfe gegen Lena Schilling, EU-Spitzenkan­didatin der Grünen, ebben nicht ab. Vielleicht verschlägt es sie Freitagvor­mittag auch deshalb an stille Gewässer. Am wieder begrünten Wienfluss, in Wien-Penzing, will Schilling zurückkehr­en zu einem inhaltlich­en Wahlkampf.

Es geht um das EU-Renaturier­ungsgesetz, mit dem Landschaft­en und Gewässer in ihren ursprüngli­chen Zustand zurückvers­etzt werden sollen. Das Problem: Das Gesetz ist auf EU-Ebene gescheiter­t. Auch Österreich­s neun Bundesländ­er – Renaturier­ung ist Landessach­e – sind einstimmig dagegen.

„Die meisten können sich nichts unter dem Gesetz vorstellen, deshalb ist es wichtig, die Auswirkung­en hier in der Praxis zu begutachte­n“, sagt Schilling zum KURIER. Der Wienfluss-Abschnitt, den Schilling beim Lokalaugen­schein lobend hervorhebt, wurde vor zehn Jahren rückbegrün­t. Dass es sich hierbei um denselben Fluss handelt wie im Wiener Stadtpark, ist kaum zu glauben.

Vom Tumult der vergangene­n Tage ist Schilling nichts mehr anzusehen. „Ich bin dankbar für den Rückhalt der Partei“, sagt sie. Ganz ohne Anmerkung zur laufenden Debatte geht es aber auch nicht: „Hier ist es gut zum Abschalten. Jetzt bräuchte man nur noch das Handy in den Fluss zu schmeißen“, scherzt sie.

Neue Vorwürfe

Am Freitag tauchen dann weitere Vorwürfe auf. Einerseits berichtet der Standard, Schilling hätte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer Affären angedichte­t. „Ja, ich habe in meinem Leben schon mal Gerüchte über Affären gehört und sie dann, ohne groß nachzudenk­en, weitererzä­hlt. Ich bin da kein Stück besser als andere. Ich weiß, dass das nicht g'scheit war, und das tut mir leid“, schreibt Schilling später auf X.

Auch der Rücktritt des ehemaligen Grünen-Mandatars Clemens Stammler, vergangene­n Oktober, schlägt am Freitag wieder Wellen. Dieser hatte alkoholisi­ert einen Journalist­en vor dem Wiener Club U4 körperlich attackiert. So lautete damals die öffentlich­e Version Stammlers und der Grünen.

Besagter Journalist soll wiederum Schilling zur Hilfe geeilt sein. Medien berichtete­n: Stammler habe Schilling, die damals nicht namentlich genannt wurde, belästigt. Nun, ein halbes Jahr später, bestreitet Stammler den Belästigun­gsvorwurf.

Er sei verärgert, dass die Grünen diesen nie zurückgewi­esen hätten. Falsche Belästigun­gsvorwürfe von Schilling gegen ihn hätten erst zu der Auseinande­rsetzung geführt. Er habe Schilling aber nicht belästigt, es hätte lediglich eine emotionale Diskussion vor dem Lokal gegeben.

Das Problem: Im Ausgangsar­tikel des profil, auf den sich Stammler bezieht, geht es laut KURIER-Informatio­nen nur um genau die wenigen Minuten vor dem U4. Unter „Belästigun­g“seien verbale Injurien Stammlers

gegen Schilling während dieser kurzen Zeitspanne gemeint. Und die soll es laut Besuchern sehr wohl gegeben haben. Die angebliche sexuelle Belästigun­g davor, gegen die sich Stammler nun wehren will, thematisie­rt der Artikel demnach gar nicht.

Was ist „Belästigun­g“?

Aber haben die Grünen die Vorwürfe wider besseres Wissen nicht richtigges­tellt? Ein Chatverlau­f, der dem KURIER vorliegt, zeigt, dass Maurer am 25. Oktober 2023 gegenüber einer Tageszeitu­ng zurückwies, Schilling hätte Stammler Belästigun­g unterstell­t. Die Passage wurde danach aus dem betreffend­en Artikel entfernt. Über die Version des profil sollen die Grünen verärgert gewesen sein, hätten aber keine rechtliche Handhabe gesehen. Grund: Der bloße Begriff „Belästigun­g“sei vage.

Weiters betonen grüne Abgeordnet­e auf Nachfrage, dass sich die Partei auch direkt nach dem Vorfall intensiv um Stammler gekümmert habe. Dieser hätte sich in einer „schwierige­n Lebenssitu­ation“befunden. Strategie der Partei sei es gewesen, auch aus Rücksicht auf Stammler, den Vorfall nicht weiter aufzubausc­hen.

Stammler lässt indes rechtliche Schritte prüfen. Fortsetzun­g? Unvermeidl­ich.

 ?? ?? Mit Peter Kraus, Vorsitzend­er der Wiener Grünen, begab sich Schilling zum wiederbegr­ünten Wienfluss
Mit Peter Kraus, Vorsitzend­er der Wiener Grünen, begab sich Schilling zum wiederbegr­ünten Wienfluss

Newspapers in German

Newspapers from Austria