Flucht ins Grüne
Lena Schilling. Es gibt neue Vorwürfe gegen die grüne Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl. Bei einem Wahlkampf-Termin am Wienfluss wirkt Schilling davon unbeeindruckt
Sie habe falsche Gerüchte über Affären, Belästigungen oder häusliche Gewalt verbreitet: Die Vorwürfe gegen Lena Schilling, EU-Spitzenkandidatin der Grünen, ebben nicht ab. Vielleicht verschlägt es sie Freitagvormittag auch deshalb an stille Gewässer. Am wieder begrünten Wienfluss, in Wien-Penzing, will Schilling zurückkehren zu einem inhaltlichen Wahlkampf.
Es geht um das EU-Renaturierungsgesetz, mit dem Landschaften und Gewässer in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden sollen. Das Problem: Das Gesetz ist auf EU-Ebene gescheitert. Auch Österreichs neun Bundesländer – Renaturierung ist Landessache – sind einstimmig dagegen.
„Die meisten können sich nichts unter dem Gesetz vorstellen, deshalb ist es wichtig, die Auswirkungen hier in der Praxis zu begutachten“, sagt Schilling zum KURIER. Der Wienfluss-Abschnitt, den Schilling beim Lokalaugenschein lobend hervorhebt, wurde vor zehn Jahren rückbegrünt. Dass es sich hierbei um denselben Fluss handelt wie im Wiener Stadtpark, ist kaum zu glauben.
Vom Tumult der vergangenen Tage ist Schilling nichts mehr anzusehen. „Ich bin dankbar für den Rückhalt der Partei“, sagt sie. Ganz ohne Anmerkung zur laufenden Debatte geht es aber auch nicht: „Hier ist es gut zum Abschalten. Jetzt bräuchte man nur noch das Handy in den Fluss zu schmeißen“, scherzt sie.
Neue Vorwürfe
Am Freitag tauchen dann weitere Vorwürfe auf. Einerseits berichtet der Standard, Schilling hätte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer Affären angedichtet. „Ja, ich habe in meinem Leben schon mal Gerüchte über Affären gehört und sie dann, ohne groß nachzudenken, weitererzählt. Ich bin da kein Stück besser als andere. Ich weiß, dass das nicht g'scheit war, und das tut mir leid“, schreibt Schilling später auf X.
Auch der Rücktritt des ehemaligen Grünen-Mandatars Clemens Stammler, vergangenen Oktober, schlägt am Freitag wieder Wellen. Dieser hatte alkoholisiert einen Journalisten vor dem Wiener Club U4 körperlich attackiert. So lautete damals die öffentliche Version Stammlers und der Grünen.
Besagter Journalist soll wiederum Schilling zur Hilfe geeilt sein. Medien berichteten: Stammler habe Schilling, die damals nicht namentlich genannt wurde, belästigt. Nun, ein halbes Jahr später, bestreitet Stammler den Belästigungsvorwurf.
Er sei verärgert, dass die Grünen diesen nie zurückgewiesen hätten. Falsche Belästigungsvorwürfe von Schilling gegen ihn hätten erst zu der Auseinandersetzung geführt. Er habe Schilling aber nicht belästigt, es hätte lediglich eine emotionale Diskussion vor dem Lokal gegeben.
Das Problem: Im Ausgangsartikel des profil, auf den sich Stammler bezieht, geht es laut KURIER-Informationen nur um genau die wenigen Minuten vor dem U4. Unter „Belästigung“seien verbale Injurien Stammlers
gegen Schilling während dieser kurzen Zeitspanne gemeint. Und die soll es laut Besuchern sehr wohl gegeben haben. Die angebliche sexuelle Belästigung davor, gegen die sich Stammler nun wehren will, thematisiert der Artikel demnach gar nicht.
Was ist „Belästigung“?
Aber haben die Grünen die Vorwürfe wider besseres Wissen nicht richtiggestellt? Ein Chatverlauf, der dem KURIER vorliegt, zeigt, dass Maurer am 25. Oktober 2023 gegenüber einer Tageszeitung zurückwies, Schilling hätte Stammler Belästigung unterstellt. Die Passage wurde danach aus dem betreffenden Artikel entfernt. Über die Version des profil sollen die Grünen verärgert gewesen sein, hätten aber keine rechtliche Handhabe gesehen. Grund: Der bloße Begriff „Belästigung“sei vage.
Weiters betonen grüne Abgeordnete auf Nachfrage, dass sich die Partei auch direkt nach dem Vorfall intensiv um Stammler gekümmert habe. Dieser hätte sich in einer „schwierigen Lebenssituation“befunden. Strategie der Partei sei es gewesen, auch aus Rücksicht auf Stammler, den Vorfall nicht weiter aufzubauschen.
Stammler lässt indes rechtliche Schritte prüfen. Fortsetzung? Unvermeidlich.