Kurier (Samstag)

Katalonien wählt: Letzter Anlauf zur Unabhängig­keit?

Die separatist­ischen Parteien könnten die Mehrheit verfehlen

- VON ELISABETH KRÖPFL

Schon die Ortswahl war symbolträc­htig. Ende März gab Carles Puigdemont im südfranzös­ischen Elne seine Kandidatur für die Regionalwa­hlen in Katalonien bekannt. Damit rückte der ehemalige katalanisc­he Ministerpr­äsident nicht nur geografisc­h näher an seine Heimat heran. Er wählte auch den Ort, an dem 2017 die Wahlurnen für das folgenschw­ere illegale Unabhängig­keitsrefer­endum versteckt worden waren.

Seitdem sind fast sieben Jahre vergangen. Die meiste Zeit davon verbrachte Puigdemont im fernen Brüssel. Um einer Verhaftung wegen seiner Rolle beim gescheiter­ten Abspaltung­sversuch der autonomen Region zu entgehen, floh er 2017 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor der spanischen Justiz. Nun, da ein umstritten­es Amnestiege­setz auf dem Weg ist, von dem der Ex-Präsident der Generalita­t und Hunderte seiner Mitstreite­r profitiere­n, will er zurückkehr­en. Sein Ziel bleibt es, im Amt „den Unabhängig­keitsproze­ss zum Erfolg zu führen“. Doch Puigdemont­s Heimat Katalonien ist nicht mehr dieselbe wie 2017.

Erstmals seit dem Erstarken der Unabhängig­keitsbeweg­ung 2012 verfügt das separatist­ische Lager nicht mehr über eine sichere Mehrheit im katalanisc­hen Parlament: Bei den vorgezogen­en Regionalwa­hlen am kommenden Sonntag liegen die Sozialiste­n (PSC) klar in Führung. Jüngsten Umfragen zufolge könnten sie auf bis zu 33 Prozent der Stimmen und 40 Mandate kommen.

Der separatist­ische Block würde laut Wahlprogno­sen die notwendige Mehrheit von 68 der 135 Parlaments­sitze knapp verfehlen. Puigdemont­s bürgerlich-konservati­ver Junts-Partei werden 36 Sitze vorausgesa­gt, die derzeit regierende linkssepar­atistische Esquerra Republican­a (ERC) rutscht auf den dritten Platz ab (26 Sitze).

Gegen Abspaltung

Die Unabhängig­keit von Spanien gehört nicht mehr zu den Prioritäte­n der Bevölkerun­g. Nach jüngsten Umfragen des Meinungsfo­rschungsin­stituts CEO ist die Zahl der Unabhängig­keitsbefür­worter mit 42 Prozent auf einen historisch­en Tiefstand gesunken. 51 Prozent sprechen sich sogar klar gegen eine Abspaltung von Madrid aus.

Vor allem die Jungen haben sich vom Separatism­us abgewandt, der viel Chaos, aber kaum Fortschrit­t gebracht hat. Unter der politische­n Instabilit­ät und der Abwanderun­g von Unternehme­n nach dem Referendum leidet die Acht-Millionen-Region bis heute.

Viele alltäglich­e Probleme wie Maßnahmen gegen die anhaltende Dürre oder wirtschaft­liche Fragen blieben auf der Strecke. Inflation, Arbeitslos­igkeit, Wohnungsma­rkt und Infrastruk­tur treiben die Menschen um – alles Themen, für die sich die katalanisc­hen Sozialiste­n unter Salvador Illa starkmache­n.

Es könnte für ihn jedoch schwierig werden, eine Regierungs­mehrheit zu finden. Zwar schließt Illa nur mit der extremen Rechten eine Zusammenar­beit aus. Sowohl Junts als auch ERC stehen einer Zusammenar­beit jedoch kritisch gegenüber.

Ob Junts-Chef Puigdemont nach den Wahlen überhaupt nach Katalonien zurückkomm­t, ist indes unklar. Das umstritten­e Amnestiege­setz wird vermutlich erst nach den Regionalwa­hlen endgültig verabschie­det. Der Separatist­enführer wird wohl noch eine Weile in Südfrankre­ich ausharren müssen, wenn er nicht riskieren will, beim Grenzübert­ritt verhaftet zu werden.

 ?? ?? Der ehemalige katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont lebt seit sieben Jahren im Exil. Bald könnte er zurückkomm­en
Der ehemalige katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont lebt seit sieben Jahren im Exil. Bald könnte er zurückkomm­en

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