Kurier (Samstag)

Ladies im Gentlemen’s Club

London. Shocking! Nach 193 Jahren dürfen im exklusiven Garrick Club auch Frauen Mitglied werden. Bei der letzten Abstimmung 2015 war die Zulassung noch abgelehnt worden

- AUS LONDON ANNA-MARIA BAUER

Diese Woche trafen einander die Mitglieder des Londoner Garrick Clubs, um über ein umstritten­es Thema abzustimme­n, an dem sie schon im Mai 1924 zu kiefeln hatten: Soll der Club künftig auch Frauen aufnehmen?

Der Garrick Club – benannt nach Theaterman­ager David Garrick, der ihn 1831 gründete, damit „Schauspiel­er und Männer von Rang und Bildung gleichbere­chtigt zusammenko­mmen können“– ist einer der ältesten Private Gentlemen’s Clubs der Welt.

Ort des Rückzugs

Es ist ein Ort des Rückzugs mitten in London für die bis dato rein männliche Elite – mit Bücherei, Bar und Billardzim­mer. Ein Haus, in dem Handys abzuschalt­en und Fotos verboten sind. In dem Roastbeef mit glänzendem Silberdeck­el warm gehalten wird und Besucher „stets Jackett, Hemd mit Kragen und Krawatten“tragen müssen. Außer sie kommen abends nach dem Theater, dann darf auf die Krawatte verzichtet werden.

Zu den 1.500 Mitglieder­n gehören laut Guardian derzeit etwa der König (natürlich an der Spitze), der stellvertr­etende Premiermin­ister, der Chef des MI6 oder auch der Chefdirige­nt des London Symphony Orchestra.

Beim MI6-Chef sollte man korrekterw­eise anmerken: war. Denn nachdem der Guardian die Mitglieder­liste öffentlich gemacht hatte, um vor der Abstimmung Druck aufzubauen (die liberale Zeitung macht sich seit 1966 für eine Aufnahme von Frauen stark), trat Richard Moore ebenso wie der britische Leiter des öffentlich­en Dienstes aus Protest aus.

Eintreten konnten Frauen in das Clubhaus in West London zwar theoretisc­h bereits – doch nur in Begleitung eines Mannes. Und bis vor wenigen Jahren durften sie die stattliche, mit Ölgemälden geschmückt­e Treppe auch nicht hinaufgehe­n. Stattdesse­n wurden sie beim Betreten vom Portier zur Seitentür geleitet, die über eine kleinere Treppe ins Obergescho­ß führte, um dort ihre Mäntel aufzuhänge­n.

Nach dem Gleichstel­lungsgeset­z von 2010 durfte der Club Frauen nicht mehr verbieten, am majestätis­chen Holztisch im Hauptsaal Platz zu nehmen. Also wurden einfach kaum noch Frauen eingeladen.

Mit Austritt gedroht

Am Dienstag war dann alle Aufmerksam­keit auf die Grand Connaught Rooms gerichtet. Nachdem die Mitglieder­liste veröffentl­icht worden war, sollte die Abstimmung laut Financial Times nicht im Clubhaus selbst stattfinde­n, sondern in einem nahe gelegenen luxuriösen Anwesen.

Die jüngste Umfrage hatte neun Jahre zuvor stattgefun­den. Damals wurde der Vorschlag abgelehnt, weil sich keine Zweidritte­lmehrheit für eine Aufnahme der Frauen fand.

Diesmal hatten mehr als 200 Mitglieder – darunter der Musiker Sting und der Schriftste­ller Stephen Fry – dem Vorsitzend­en im Vorfeld schriftlic­h mitgeteilt, dass sie austreten würden, sollte die Wahl gegen die Frauen ausfallen.

Ein Mitglied warnte laut Guardian vor Ort noch einmal davor, dass ein Votum gegen Frauen „einen riesigen Schwarm von Austritten auslösen würde, insbesonde­re in der Kunst“. Das veranlasst­e andere zur zynischen Frage, warum all diese Männer bisher Mitglied waren.

Dann wurde abgestimmt: 60 Prozent gaben ihre Stimme für die Frauen. Das ist zwar immer noch keine Zweidritte­lmehrheit, aber die ist nicht länger notwendig. Somit steht fest: Frauen sind willkommen.

Die ersten möglichen weiblichen Mitglieder wurden dann auch bereits vorgeschla­gen: die Schauspiel­erin Juliet Stevenson, die Historiker­in Mary Beard oder die Journalist­in Cathy Newman.

Nicht langweilen!

Einladunge­n dürften noch keine ins Haus geflattert sein. Denn vor einer Aufnahme muss der Name des neuen Kandidaten oder – nun – der neuen Kandidatin in ein ledergebun­denes Buch eingetrage­n werden. Danach müssen die folgenden zwei Seiten mit Unterschri­ften amtierende­r Mitglieder gefüllt werden.

Erst dann werden potenziell­e Mitglieder fürs Vorgespräc­h zum Dinner geladen – und müssen sich dabei wohl auch als unterhalts­am erweisen. Denn es sei besser, heißt es auf der Webseite des Clubs, zehn unbedenkli­che Personen auszuschli­eßen als einen schrecklic­hen Langweiler aufzunehme­n.

 ?? ?? Der 1831 gründete Garrick Club in West London ist einer der ältesten Private Gentlemen’s Clubs der Welt
Der 1831 gründete Garrick Club in West London ist einer der ältesten Private Gentlemen’s Clubs der Welt
 ?? Schauspiel­erin J. Stevenson wurde vorgeschla­gen ??
Schauspiel­erin J. Stevenson wurde vorgeschla­gen
 ?? Der Schriftste­ller Stephen Fry drohte mit Austritt ??
Der Schriftste­ller Stephen Fry drohte mit Austritt

Newspapers in German

Newspapers from Austria