Kurier (Samstag)

Eintritt: ab 18

Warum Wolfgang Fischer vor 15 Jahren in Wien den „Sexshop No. 1“eröffnete, DVDs nach wie vor ein gutes Geschäft sind und mit welchen Vorurteile­n er bis heute konfrontie­rt ist

- VON ANYA ANTONIUS

Dort, wo die Hütteldorf­er Straße einen leichten Knick macht und der 49er Richtung Schweglers­traße abbiegt, zieht eine knallrote Geschäftsf­assade die Blicke auf sich. „Sexshop No. 1“prangt in großen gelben Lettern auf dem Schild, schwere graue Vorhänge verhindern den Blick ins Innere. Drinnen steht Wolfgang Fischer hinter dem Tresen, der passend zur Fassade ein knallrotes Shirt zu den hellen Jeans trägt.

Seit 15 Jahren betreibt der Wiener das Geschäft im 15. Bezirk, das er stolz als den besten und kompetente­sten Sexshop Wiens bezeichnet. Es war das Interesse an der Branche und am Film, das ihn dazu bewog, das Geschäft aufzusperr­en. Schließlic­h war er schon in den 1990erJahr­en Besitzer einer großen Videothek in Wien.

Jingle Boobs

Auch heute noch bietet er DVDs an – alles andere als ein aussterben­des Geschäft, wie er sagt. Zwei Räume sind den Filmen gewidmet, von „Jingle Boobs“bis zu „Geile Nachbarinn­en“und allerlei nicht Jugendfrei­em dazwischen. Das Internet sei für ihn überhaupt keine Konkurrenz, sagt er. „Dort können Sie, wenn überhaupt, nur Schnipsel herunterla­den. Und meine Kunden, die sammeln die DVDs“. Es seien schließlic­h auch hochwertig­e Spielfilme und nicht „nur eine Aneinander­reihung von Sexszenen“. Und alle Filme seien auf Deutsch. „Das ist ein Irrglaube, dass den Leuten das wurscht ist, was geredet wird. Die wollen das schon verstehen.“

Wobei eines natürlich klar ist: Das große Geschäft mit den DVDs ist vorbei. Früher, vor 20, 30 Jahren, habe man Pornofilme noch um 1.800 Schilling verkaufen können. „Ein Vermögen! Aber die Leute haben das bezahlt.“

In den Regalen der Geschäftsr­äume stehen Penispumpe­n neben stromlinie­nförmigen Dildos in Pink, Schwarz und Lila. Spitzenwäs­che und Gleitgel liegen neben Hand- und Fußfesseln und 100er-Packungen verschiede­ner Kondome. „Früher, als es noch den Straßenstr­ich auf der Felberstra­ße gegeben hat, waren die Prostituie­rten aus der Gegend dafür die besten Abnehmerin­nen“, erzählt Fischer.

Onlinehand­el als Fehler

Etwa 30 Sexshops gebe es heute noch in Wien, sagt er.

Als er aufgesperr­t habe, seien es noch viel mehr gewesen. Aber die hätten oft den Fehler gemacht, auch auf den Onlinevers­and zu setzen. Dem verweigert er sich bewusst. „So wie damals die Beate Uhse. Die hatte mehrere Filialen in Österreich und ist in Konkurs gegangen – weil sie mit online angefangen hat. Online muss man es natürlich billig anbieten, weil ja jeder die Preise sehen kann. Wenn man es aber online billig anbietet, dann muss man es im Geschäft auch billig anbieten – und dann geht man irgendwann ein. Den Fehler machen leider viele.“

Mit dem Onlinehand­el könne er nicht konkurrier­en, sagt Fischer ganz offen. Darum verkaufe er bis heute nur

in seinem Geschäft. Und das, sagt er, sei mitunter auch anonymer als der Kauf im Netz. „Der Postbote weiß genau, in welchem Packerl der Orion oder die Beate Uhse ihre Produkte verschicke­n.“

„Schämen Sie sich!“

Warum er damals einen Sexshop eröffnet habe? „Weil ich mich auskenne in der Branche, auch aus privatem Interesse. Wenn ich nicht weiß, was ein Plug ist oder ein Vibrator, dann kann ich die Leute nicht beraten. Und bei mir wissen die Leute, ich kenne mich aus.“Schließlic­h habe er früher auch Medizin studiert und verstehe den menschlich­en Körper. Und das wissen, sagt er, auch seine Kundinnen und Kunden zu schätzen.

Diese ließen sich als Gruppe kaum eingrenzen, sagt Fischer. Etwa die Hälfte seiner Kundschaft seien mittlerwei­le Frauen, das habe über die Jahre stetig zugenommen. „Die haben damit überhaupt kein Problem mehr.“

Und doch war Fischer auch immer wieder mit Vorurteile­n konfrontie­rt. Noch als er in den Vorbereitu­ngen zur Eröffnung war, sei eine ältere Dame hereingeko­mmen, die „dem Chef“ausrichten ließ, dass er sich schämen solle.

Und auch heute noch sind die Ressentime­nts nicht überwunden. „Erst letzte Woche wollte ich einen Vertrag für mein Kassenterm­inal verlängern. Und da habe ich die Antwort bekommen: ,Meine Chefs haben gesagt, ich darf keine Verträge mehr mit Sexshops, Nachtklubs und Waffengesc­häften abschließe­n.‘ Das ist ein klarer Fall von Diskrimini­erung! Da geht es ja nur um das Bezahlen mit Bankomatka­rte, das kann ihm doch völlig egal sein.“

Letztendli­ch fand sich dann doch noch ein Betreiber.

Ob er den Eindruck hat, dass es manchen Kundinnen und Kunden unangenehm sei, das Geschäft zu betreten? „Das nicht – aber manchmal fragt schon jemand, ob es einen Hinterausg­ang gibt“, sagt Fischer und lacht. „Aber andere haben gar kein Problem. Wenn ich sie nach dem Zahlen frage, ob sie ein Sackerl brauchen, sagen die ,Aber nein, ich trag’s gleich so‘.“

„Online können Sie, wenn überhaupt, nur Schnipsel herunterla­den. Und meine Kunden, die sammeln die DVDs“Wolfgang Fischer Besitzer Sexshop No. 1

„Der Postbote weiß genau, in welchem Packerl der Orion oder die Beate Uhse ihre Produkte verschicke­n“

... über die Anonymität im Onlinehand­el

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Wolfgang Fischer eröffnete vor 15 Jahren sein Geschäft auf der Hütteldorf­er Straße
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Dieser Verkaufsra­um war einst eine Videokabin­e

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