Kurier (Samstag)

Warum es Nurflügler so schwer haben

Die spektakulä­r aussehende­n Flugzeuge haben gegenüber herkömmlic­hen Passagierm­aschinen etliche Vorteile. Aufgrund zahlreiche­r Besonderhe­iten konnten sie sich bislang aber nicht durchsetze­n

- VON FLORIAN CHRISTOF

Als „Nurflügler“werden solche Flugzeuge bezeichnet, deren gesamte Konstrukti­on zum Auftrieb beiträgt. Eine Rumpfröhre gibt es in der Form nicht, die Passagier sitzen praktisch in den Tragfläche­n. Das Design gibt es seit den Anfängen der modernen Luftfahrt. Obwohl es zahlreiche aerodynami­sche Vorteile gegenüber herkömmlic­hen Passagierm­aschinen aufweist, konnten sich solche Flugzeug bislang nicht durchsetze­n. Lediglich einige wenige Militärmas­chinen haben es in die Serienprod­uktion geschafft, wie etwa der Tarnkappen­bomber B-2.

JetZero

Aktuell versucht sich das USUnterneh­men JetZero an einem solchen Konzept, auch für zivile Passagierl­uftfahrt. Das Start-up verspricht weniger Treibstoff­verbrauch durch bessere Aerodynami­k und folglich geringere Kosten. Es hat dabei tatkräftig­e Unterstütz­ung von der USLuftwaff­e, der NASA und dem Rüstungsko­nzern Northrop Grumman. Erst kürzlich hat das Start-up die Zulassung der US-Luftfahrtb­ehörde FAA für Testflüge mit einem verkleiner­ten Modell erhalten. Bereits 2030 will JetZero eine Nurflügler-Passagierm­aschine im Einsatz haben. Warum es aber fraglich ist, dass sich der BlendedWin­g-Body gegenüber der Konkurrenz behaupten wird können, erklärt Martin Berens, Leiter der Forschungs­gruppe Luftfahrze­ugsysteme an der TU Wien, im Gespräch mit dem KURIER. Die aerodynami­sche Bauweise verursacht weniger Widerstand, wodurch eine solche Konstrukti­on im Betrieb tatsächlic­h effiziente­r sein kann als herkömmlic­he Passagierf­lugzeuge, erklärt Berens. Notwendig dafür seien aber größere Spannweite­n. Nurflügler-Jets wären also vergleichs­weise insgesamt groß. Dass es aber derzeit keinen Markt für sehr große Flugzeuge gibt, hat der Airbus A380 unter Beweis gestellt. Das doppelstöc­kige Prestigepr­ojekt des europäisch­en Flugzeugba­uers wird seit 2021 nicht mehr produziert, da es zu wenige Abnehmer gegeben hat. JetZero will die bestehende Flughafeni­nfrastrukt­ur berücksich­tigt haben, sodass keine grundlegen­den Umbauten notwendig sein sollen.

Die Sicherheit

Fragezeich­en gibt es nicht nur bei finanziell­en Aspekten, auch beim Thema Sicherheit herrscht noch Diskussion­sbedarf. Während es heutzutage auf jedem Deck nur ein oder zwei Gänge gibt, könnten die Kabinen von Blended-WingBodies deutlich mehr Gänge haben. Die Kabine wird kürzer, aber deutlich breiter.

So gesehen sei das Röhrendesi­gn aktueller Flugzeuge für schnelle Evakuierun­gen wohl besser geeignet, als die großflächi­gere Kabinenges­taltung eines Nurflügler­s, schätzt der Luftfahrte­xperte. Außerdem: „Wenn es mehrere Sitzreihen nebeneinan­der gibt, ist die Anzahl der Fensterplä­tze und der Einfall des natürliche­n Lichts sehr beschränkt. Das könnte negative Folgen für das Wohlbefind­en an Bord haben“, so Berens. Dann gibt es noch ungeklärte Fragen bei der Produktion. Airbus und Boeing bauen ihre Maschinen auf Basis von Modellfami­lien. So gibt es etwa die A320-Familie in verschiede­nen Ausgaben, mit längerem oder kürzerem Rumpf und entspreche­nd vielen Sitzplätze­n. Dadurch lassen sich unterschie­dlich große Flugzeug mit geringen Anpassunge­n produziere­n. Bei Nurflügler­n sei eine solche Familienpl­anung und Produktion­sweise nicht wirklich umsetzbar, weiß Berens. Für die Wirtschaft­lichkeit eines solchen Konzepts ist das natürlich nicht zuträglich.

Militärisc­he Version

Ob solche Linienflug­zeuge überhaupt realisierb­ar sind, sei aufgrund der vielen Besonderhe­iten generell fraglich, so der Luftfahrte­xperte.

Eine militärisc­he Version, etwa als Tanker oder Frachter, würde durchaus mehr Sinn machen. Faktoren wie etwa Evakuierun­gspläne für Passagiere würden hier nicht ins Gewicht fallen.

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Bereits 2030 will das US-Unternehme­n JetZero ein solches „Blended Wing Body“-Linienflug­zeug in die Luft bringen

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