Warum es Nurflügler so schwer haben
Die spektakulär aussehenden Flugzeuge haben gegenüber herkömmlichen Passagiermaschinen etliche Vorteile. Aufgrund zahlreicher Besonderheiten konnten sie sich bislang aber nicht durchsetzen
Als „Nurflügler“werden solche Flugzeuge bezeichnet, deren gesamte Konstruktion zum Auftrieb beiträgt. Eine Rumpfröhre gibt es in der Form nicht, die Passagier sitzen praktisch in den Tragflächen. Das Design gibt es seit den Anfängen der modernen Luftfahrt. Obwohl es zahlreiche aerodynamische Vorteile gegenüber herkömmlichen Passagiermaschinen aufweist, konnten sich solche Flugzeug bislang nicht durchsetzen. Lediglich einige wenige Militärmaschinen haben es in die Serienproduktion geschafft, wie etwa der Tarnkappenbomber B-2.
JetZero
Aktuell versucht sich das USUnternehmen JetZero an einem solchen Konzept, auch für zivile Passagierluftfahrt. Das Start-up verspricht weniger Treibstoffverbrauch durch bessere Aerodynamik und folglich geringere Kosten. Es hat dabei tatkräftige Unterstützung von der USLuftwaffe, der NASA und dem Rüstungskonzern Northrop Grumman. Erst kürzlich hat das Start-up die Zulassung der US-Luftfahrtbehörde FAA für Testflüge mit einem verkleinerten Modell erhalten. Bereits 2030 will JetZero eine Nurflügler-Passagiermaschine im Einsatz haben. Warum es aber fraglich ist, dass sich der BlendedWing-Body gegenüber der Konkurrenz behaupten wird können, erklärt Martin Berens, Leiter der Forschungsgruppe Luftfahrzeugsysteme an der TU Wien, im Gespräch mit dem KURIER. Die aerodynamische Bauweise verursacht weniger Widerstand, wodurch eine solche Konstruktion im Betrieb tatsächlich effizienter sein kann als herkömmliche Passagierflugzeuge, erklärt Berens. Notwendig dafür seien aber größere Spannweiten. Nurflügler-Jets wären also vergleichsweise insgesamt groß. Dass es aber derzeit keinen Markt für sehr große Flugzeuge gibt, hat der Airbus A380 unter Beweis gestellt. Das doppelstöckige Prestigeprojekt des europäischen Flugzeugbauers wird seit 2021 nicht mehr produziert, da es zu wenige Abnehmer gegeben hat. JetZero will die bestehende Flughafeninfrastruktur berücksichtigt haben, sodass keine grundlegenden Umbauten notwendig sein sollen.
Die Sicherheit
Fragezeichen gibt es nicht nur bei finanziellen Aspekten, auch beim Thema Sicherheit herrscht noch Diskussionsbedarf. Während es heutzutage auf jedem Deck nur ein oder zwei Gänge gibt, könnten die Kabinen von Blended-WingBodies deutlich mehr Gänge haben. Die Kabine wird kürzer, aber deutlich breiter.
So gesehen sei das Röhrendesign aktueller Flugzeuge für schnelle Evakuierungen wohl besser geeignet, als die großflächigere Kabinengestaltung eines Nurflüglers, schätzt der Luftfahrtexperte. Außerdem: „Wenn es mehrere Sitzreihen nebeneinander gibt, ist die Anzahl der Fensterplätze und der Einfall des natürlichen Lichts sehr beschränkt. Das könnte negative Folgen für das Wohlbefinden an Bord haben“, so Berens. Dann gibt es noch ungeklärte Fragen bei der Produktion. Airbus und Boeing bauen ihre Maschinen auf Basis von Modellfamilien. So gibt es etwa die A320-Familie in verschiedenen Ausgaben, mit längerem oder kürzerem Rumpf und entsprechend vielen Sitzplätzen. Dadurch lassen sich unterschiedlich große Flugzeug mit geringen Anpassungen produzieren. Bei Nurflüglern sei eine solche Familienplanung und Produktionsweise nicht wirklich umsetzbar, weiß Berens. Für die Wirtschaftlichkeit eines solchen Konzepts ist das natürlich nicht zuträglich.
Militärische Version
Ob solche Linienflugzeuge überhaupt realisierbar sind, sei aufgrund der vielen Besonderheiten generell fraglich, so der Luftfahrtexperte.
Eine militärische Version, etwa als Tanker oder Frachter, würde durchaus mehr Sinn machen. Faktoren wie etwa Evakuierungspläne für Passagiere würden hier nicht ins Gewicht fallen.