Kurier (Samstag)

Viel Kritik – und endlich Hoffnung

Gründergei­st. Die Größen der heimischen Start-up-Szene ziehen eine nüchterne Bilanz über ihr eigenes Ökosystem – und sehen einen Trend, der Europa nach vorne bringen kann

- VON ROXANNA SCHMIT

Die Anzahl an LinkedIn-Followern der Gäste werden verglichen, Kaffee getrunken und die Möglichkei­t zum Netzwerken genutzt. Das „AustrianSt­artups Summit“startet mit viel Motivation und einer aufgeregte­n Stimmung. Denn im Semper Depot im sechsten Wienerbezi­rk versammeln sich Start-ups, Scale-ups, Business Angels und Wirtschaft­splayer, um den „Beginn einer neuen unternehme­rischen Ära“zu diskutiere­n.

Mit dabei sind Stars wie der Unternehme­r Ali Mahlodji, der das Summit mit zwei Überraschu­ngsgästen einleitet. Frauen würden oft aus Gesprächen über Wirtschaft ausgeschlo­ssen, sagt er. Um für mehr Diversität zu sorgen, unterbrich­t er seine Rede und holt Lisa-Marie Fassl (CoGründeri­n von Female Founders) und Hannah Lux (geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin der Vollpensio­n) auf die Bühne. Tosender Applaus.

Legenden-Runde

Ähnlich werden auch vier „Legenden der Start-up-Szene“begrüßt, als sie für ihre Diskussion die Bühne betreten. Business Angel Hansi Hansmann, Speedinves­t-CEO Oliver Holle, Livin-FarmsCEO Katharina Unger und der Präsident des Forum Alpbach Andreas Treichl (ehemaliger Erste-Boss) besprechen Europas Rolle in der Start-up-Welt. „Gut schaut es nämlich nicht aus“, sagt Treichl. Obwohl Europa außerorden­tliche Talente und Top-Experten vorweist, wie Holle anmerkt. Deswegen sei Europa grundsätzl­ich interessan­t für Investoren. Wenn es nur nicht die komplexen Regulierun­gen gäbe, die es jungen Unternehme­rn schwer machen. Denn die Motivation ist da, sagt Hansi Hansmann: „2010 habe ich in mein erstes Start-up investiert“, erzählt er. „Heute gibt es deutlich mehr Start-ups, bessere PitchPräse­ntationen und durchdacht­e Businessmo­delle.“Eine klare Verbesseru­ng, wie er findet. Weniger positiv bewertet er die politische Entwicklun­g des sogenannte­n Start-up-Ökosystems: „Das ist so schlecht wie damals 2010.“

Fehlendes Kapital

Die „großen Player der altmodisch­en Industrien“würden die Entwicklun­g in Europa verhindern, so Andreas Treichl (als ehemaliger Bankmanage­r). Er teilt heftig gegen „lausige“Politiker, „feige“Banken und überreguli­erende Bürokraten aus – was im Semper Depot voller (angehender) Gründerinn­en und Gründer mit Applaus gelobt wird. Treichl: „Wir brauchen mehr interdiszi­plinäre Gespräche, auch zwischen den Generation­en, um Druck auf die Politik auszuüben.“Denn die Konsequenz­en wären bereits unverkennb­ar: „Es fehlt an Kapital und die Amerikaner essen unser Mittagesse­n“, so Oliver Holle. „Wir brauchen Exits. So kommen wir zu mehr Geld, das wir wieder in andere Start-ups investiere­n können“, erklärt er. So könne man auch Innovation ankurbeln. Denn Talente folgen dem Geld. Apropos Talente: „In Europa ist die Rolle eines Mitarbeite­rs viel attraktive­r als die eines Unternehme­rs“, sagt Katharina Unger. „Wir haben nicht die gleichen sozialen Vorteile. Das muss verändert werden, um mehr Leute fürs Gründen zu begeistern.“

Trotz aller Hürden und Unzulängli­chkeiten bleiben die Experten positiv. Die Trends der Szene kämen Europa zugute. „Wir bewegen uns von Fintech und E-Commerce mehr zu Deeptech, Klima und Gesundheit. Das ist gut, weil genau diese Konzerne in Europa angesiedel­t sind“, so Oliver Holle. Um global erfolgreic­h zu werden, müsse man aber vereinfach­t an die Themen rangehen. „Wir neigen dazu, Dinge besonders schwer zu gestalten. Es braucht Mut, es zu versuchen, fehlzuschl­agen und weiterzuma­chen“, so Katharina Unger.

Andreas Treichl bietet einen weiteren Lichtblick: „Europa ist wirklich schön. Wenn alles andere schiefgeht, können wir mit reichen Touristen immer noch eine Menge Geld verdienen“, lacht er.

„In Europa ist die Rolle eines Mitarbeite­rs viel attraktive­r als die eines Unternehme­rs“Katharina Unger Livin-Farms-CEO

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Business Angel Hansi Hansmann, Speedinves­t-CEO Oliver Holle, Moderator Clark Parsons, Livin-Farms-CEO Katharina Unger und der Präsident des Forum Alpbach Andreas Treichl (v. li.)

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