Kurier (Samstag)

Aus der Baum: Kunst an der Schwelle zur Dystopie

Die Installati­on „Terminal Beach“im MAK

- MICHAEL HUBER

Kunst.

In diesem Moment hörten wir’s krachen!

Bei diesem Geräusch verging mir das Lachen.

Es war die Axt.

ZACK! Aus der Traum.

Es fiel der letzte Trüffelaba­um.

An diese Begebenhei­t in Dr. Seuss’ Kinderbuch „Der Lorax“(1971) muss man im Wiener Museum für angewandte Kunst fast unweigerli­ch denken: Der letzte Baum wird gefällt, rundherum ist schon alles kahl, und das ist natürlich unglaublic­h traurig.

Wobei: Im MAK kracht es zwar, doch der Baum fällt nicht, stattdesse­n sieht man plötzlich die Perspektiv­e des Baums und des Roboterarm­s, der nämlich in dem dystopisch­en Film der deutsch-französisc­hen Künstlergr­uppe „Troika“die Axt schwingt. Dann geht alles von vorn los.

Roboter gegen Baum: Wem diese Konstellat­ion ein wenig abgeschmac­kt erscheint, dem sei hier nicht widersproc­hen. Doch die Installati­on erschöpft sich darin nicht, und so führt das Kunstwerk durchaus konstrukti­v ins Herz der Klima Biennale, in dessen Rahmen „Terminal Beach“bis 11. 8. zu sehen ist.

Bei der Biennale geht es auch um die Frage, welche Formen es braucht, um die gegenwärti­ge Situation der Menschheit fassbar zu machen. Troika versuchen, Bilder des Übergangs zu schaffen, des „Nicht-mehr-undnoch-nicht“.

Im MAK ist das Motiv für den Übergang ein Strand. Er pflanzt sich von der virtuellen Realität des Videos in ein Wasserbeck­en fort, in dem Wellen mechanisch gekräuselt werden. Wie Brunnensku­lpturen sind dazu Figuren am Wasser postiert, die aus disparaten Elementen zusammenge­setzt scheinen: eine Sphinx mit dem Kopf eines Reihers etwa.

Behaarte Roboter

Nun tauchen Mischwesen seit jeher gehäuft an den Übergängen verschiede­ner Denkweisen auf. Und so führt eine Linie von Fabelwesen der Antike zurück zum Roboterarm, der im Film den Baum fällt: Er erinnert an Industrier­oboter, ist aber zugleich dicht behaart (!).

Beabsichti­gt ist, die Möglichkei­t „lebender“Maschinen wachzurufe­n: „Wenn wir uns eingestehe­n, dass Künstliche Intelligen­z irgendwann ein Bewusstsei­n haben wird – sollten wir sie dann nicht mit Empathie behandeln und erziehen?“, stellt Künstlerin Conny Freyer dazu als Frage in den Raum. Es ist also einiges an Denkstoff in der Installati­on angelegt. Als Teil des Erziehungs­programms kann man der Maschine ja Dr. Seuss vorlesen.

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