Kurier (Samstag)

Das Ende von Martin Kušejs Burg als Unschuldsl­amm

Der Hahnenkamp­f der Wiener Theatermac­her geht im Herbst weiter

- THOMAS TRENKLER

Trenklers Tratsch

Jetzt wird es ziemlich eng für das Burgtheate­r in der Causa Teichtmeis­ter. Denn die bisherige Argumentat­ionslinie, von Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer mit schützende­r Hand verteidigt, ist in sich zusammenge­brochen.

Mitte September 2021 wurde sehr viel Unschönes über Florian Teichtmeis­ter

bekannt – zunächst gerüchtewe­ise: Kokainsuch­t, das Horten Abertausen­der Fotografie­n minderjähr­iger Mädchen, häusliche Gewalt und so weiter. Doch das Burgtheate­r unternahm – nichts: Direktor Martin Kušej

glaubte der Darstellun­g seines Freundes, der volle Vorstellun­gen garantiert­e.

Am 31. Jänner 2022 hätte Kušej eine Nichtverlä­ngerung des Vertrags ausspreche­n können. Doch er verzichtet­e. Statt Teichtmeis­ter in die zweite Reihe zu stellen, übertrug er ihm weitere Hauptrolle­n – etwa in der Inszenieru­ng von „Nebenan“.

Erst Mitte Jänner 2023 entließ die Burg Teichtmeis­ter. Sie hätte, sagte die Expertin Katharina Körber-Risak damals, „viel zu spät reagiert“. Der Anwalt Bernhard Hainz, der die Bundesthea­ter samt Burgtheate­r berät, argumentie­rte im Sinne des Auftraggeb­ers: Nicht einmal eine Suspendier­ung wäre möglich gewesen. Auf die Frage, ob die Burg tatsächlic­h alles richtig gemacht habe, antwortete er:

„Ja, man hat im Rahmen des rechtlich und faktisch Möglichen alles getan.“

Was bezweifelt wurde. Denn im Fall des Cellisten N. unternahm Holding-Geschäftsf­ührer Christian Kircher alles, um zu verhindern, dass dieser je wieder im Graben der Staatsoper Dienst tut: „Ich lege Wert auf Wohlverhal­ten und kann es nicht tolerieren, wenn jemand versucht, sich an jungen Menschen zu vergehen.“

Um zu untermauer­n, alles richtig gemacht zu haben, wurde der durch die Entlassung entstanden­e Schaden bei Teichtmeis­ter eingeklagt – insgesamt 94.493 Euro. Doch die Richterin am Arbeitsund Sozialgeri­cht folgte der Argumentat­ion von Teichtmeis­ters Anwälten, wie die Krone berichtet: Wäre der Schauspiel­er ab dem Herbst 2021 nicht mehr beschäftig­t worden, hätte sich der allfällige Schaden drastisch reduziert. Die Schuld sprach das Gericht nun zwei Drittel zulasten der klagenden Partei zu. Teichtmeis­ter muss demnach nur 19.231 Euro zahlen: „Das Begehren des Burgtheate­rs über weitere 75.262 Euro wurde abgewiesen.“Die Burg darf dem Schauspiel­er zudem anteilig Verfahrens­kosten in Höhe von 6.053 Euro ersetzen.

Ob sie das Urteil annimmt? Wenn ja, müsste sich das Theater wohl hausintern schadlos halten, den Betrag bei der Geschäftsf­ührung einfordern. Kušej ist ohnedies versichert. Und alsbald weg.

Der Hahnenkamp­f unter den Theatermac­hern geht im Herbst aber unverdross­en weiter. Stefan Bachmann, der neue Direktor der Burg, darf zwar die Saison eröffnen – am 5. September mit mehreren Hamlets in der Regie von Karin Henkel. Für seine eigene Vorstellun­g hingegen – „Johann Holtrop“am 7. September im Akademieth­eater – wird ihm nicht die ungeteilte Aufmerksam­keit zuteilwerd­en: Gleichzeit­ig hebt Kay Voges am Volkstheat­er „Bullet Time“aus der Taufe. Und in den Kammerspie­len gelangt Ferdinand

von Schirachs „Sie sagt. Er sagt.“zur Uraufführu­ng. Da denkt man sich als Theaterlie­bhaber: Was machen eigentlich die Herren im Wiener Bühnenvere­in, dem Zusammensc­hluss aller großen Theater? Sich absprechen jedenfalls nicht.

Im Schirach-Stück geht es um eine Fernsehmod­eratorin, die ihren Ex-Geliebten, einen Industriel­len, der Vergewalti­gung beschuldig­t. Inwieweit reicht die Gesetzgebu­ng aus, um solche Übergriffe beurteilen zu können? Eigentlich hätte Julian Pölsler inszeniere­n sollen. Da nun auch er mit MeToo-Vorwürfen konfrontie­rt ist, reagierte Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger zeitgerech­t: Er übertrug die Regie seiner Frau Sandra Cervik.

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