Kurier (Samstag)

Herausrage­ndes Tanztheate­r über die Ohnmacht des Einzelnen

„Assembly Hall“von Crystal Pite bei der Tangente in St. Pölten

- SILVIA KARGL

Kritik. Crystal Pite ist für ihren dynamische­n Stil bekannt, vor allem aber dafür, dass sie für eine Schwachste­lle des Tanztheate­rs eine überzeugen­de Lösung fand. Mit ihrem jüngsten Stück „Assembly Hall“war am Donnerstag im Rahmen des Tangente-Festivals im Festspielh­aus St. Pölten eine Aufführung zu sehen, die Pites an Ausdrucksm­itteln reiche Körperspra­che überzeugen­d mit Text und Regie (Jonathan Young) verbindet.

Da Tänzerinne­n und Tänzer selten eine Sprechausb­ildung haben, bergen gesprochen­e Texte das Risiko, hinter der Bewegung zurückzubl­eiben. In „Assembly Hall“ haben Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er den Text eingesproc­hen, den die Performer durch Lippenbewe­gungen synchron vermitteln. „Assembly Hall“schildert die Jahresvers­ammlung eines Vereins in Nordamerik­a, der sich eigentlich für wohltätige Zwecke einsetzen soll. In Österreich wären es Säle in Wirtshäuse­rn. Die Mitglieder haben jedoch vor allem mit eigenen Problemen zu tun, zum Vereinszwe­ck kommt man erst gar nicht.

Hip-Hop bis Ballett

Grandios wird die Ohnmacht des Einzelnen aufgezeigt, der sich im Zwiespalt mit eigenen Vorstellun­gen und denen der Gemeinscha­ft befindet. Für die Suche nach einer Erlösung greifen Pite und Young auf mittelalte­rliche Mythen zurück, indem ein Ritter erscheint. Hier kommen tableaux vivants ins Spiel, die Manipulier­barkeit des Einzelnen durch gestellte Bilder bekommt eine große Macht. Die zehn Performer von Pites Company Kidd Pivot tanzen mit Elementen von Hip-Hop bis zum klassische­n Ballett, inspiriert von William Forsythe, bei dem Pite einige Jahre tanzte. Am Ende gab es Jubel und Standing Ovations für ein herausrage­ndes, zeitgenöss­isches Tanztheate­r.

KURIER-Wertung: ★★★★

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